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Fazilet verboten

Türkisches Gericht verbietet die islamistische Tugendpartei. Das Gerichtsurteil verhindert eine Parlamentsauflösung

ISTANBUL taz ■ Nach einem über zweijährigen Verfahren ist gestern die islamistische Tugendpartei der Türkei (Fazilet) verboten worden. Mit 8 gegen 3 Stimmen befand das Verfassungsgericht die Partei gemäß Artikel 69 für schuldig, ein Zentrum antilaizistische Umtriebe zu sein. Zwei Abgeordnete der Partei verlieren damit ihren Parlamentsmandat, drei weitere Parteifunktionäre wurden mit einem fünfjährigen Politikverbot belegt.

Mit dieser Entscheidung hat das Gericht sowohl den Erwartungen des Militärs als auch denen der Regierung in Ankara entsprochen. Nach dem Antrag der Staatsanwaltschaft waren zwei Varianten eines Verbots möglich: einmal die, die das Gericht jetzt gewählt hat, oder aber ein Verbot der Partei als illegale Nachfolgeorganisation der Wohlfahrtspartei, die 1997 verboten worden war. Im zweiten Fall hätten alle Parlamentsabgeordneten der Tugendpartei, die bereits zuvor als Abgeordnete der Wohlfahrtspartei im Parlament waren, ihr Mandat verloren. Da es sich dabei um rund 60 Abgeordnete gehandelt hätte, wären Neuwahlen zwingend erforderlich geworden.

Mit der gestrigen Entscheidung hat das Verfassungsgericht eine Auflösung des Parlaments vermieden. Das Gericht, dass sich die Entscheidung sehr schwer gemacht hatte, war erheblichem politischen Druck ausgesetzt. So hat Ministerpräsident Bülent Ecevit versucht, die Richter dahingehend zu beeinflussen, das Verfahren auszusetzen, bis im Sommer eine umfangreiche Verfassungsänderung verabschiedet ist, nach der das Verbot von Parteien stark erschwert wird. Vor zwei Tagen brachte auch die Fazilet-Partei noch einen Antrag ein, das Verfahren auszusetzen, bis der Europäische Menschenrechtsgerichtshof über das Verbot der Wohlfahrtspartei aus dem Jahre 1987 entschieden hat. Eine Entscheidung in Straßburg steht unmittelbar bevor. Wohl auch aus diesem Grund hat das Verfassungsgericht sich nicht mehr auf die Wohlfahrtspartei bezogen, sondern das Verbot der Fazilet mit deren eigenen illegalen Handeln begründet.

Die Konsequenzen des Verbots der mit 102 Abgeordneten größten Oppositionspartei werden sich in den nächsten Tagen zeigen. Die Führung der Fazilet hat damit gedroht, im Falle eines Verbots alle Abgeordneten aus dem Parlament zurückzuziehen und damit Neuwahlen zu erzwingen. Rücktritte von Abgeordneten müssen allerdings vom Parlamentspräsidenten, der der regierenden MHP angehört, genehmigt werden. Es ist davon auszugehen, dass es in diesem Fall zu erheblichen rechtlichen Auseinandersetzungen kommen wird. Andererseits hat ein Teil der Fazilet nur auf das Verbot gewartet, um sich nun abzuspalten und eine eigene, moderatere religiöse rechte Partei zu gründen. Die alte Fazilet wird dagegen versuchen, sich unter neuem Namen wieder zu etablieren.

JÜRGEN GOTTSCHLICH

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