Industrie ganz offen

Wirtschaft fordert mehr Einwanderung. Mangel an Lebensqualität und Neonazis schrecken Eliten ab

FRANKFURT/MAIN ■ Zu einem Einwanderungsland gehören neben einem modernen, transparenten und flexiblen Rechtsrahmen eine vernünftige Integrationspolitik und eine Bevölkerung, die sich dazu bekennt, stellten die führenden Unternehmerverbände gestern in Frankfurt klar. Deshalb, so der Ehrenpräsident der einflussreichen Frankfurter Industrie- und Handelskammer, Frank Niethammer, begrüßen die Deutschen Arbeitgeberverbände, der Bundesverband der Deutschen Industrie, der deutsche Industrie- und Handelskammertag und der Zentralverband des Deutschen Handwerks den Abschlussbericht der Süssmuth-Kommission. Niethammer forderte die Bundesregierung auf, die gesetzliche Umsetzung dieser Vorschläge noch in dieser Legislaturperiode abzuschließen. Niethammer befürchtet allerdings, dass der nahende Bundestagswahlkampf genau das verhindern könnte: „Wie es jetzt weitergeht, liegt alleine an den Parteien.“

Mehr als die im Entwurf der Kommission als vorläufige Obergrenze festgeschriebene Zahl von 50.000 Zuwanderern pro Jahr wünscht sich die Wirtschaft allerdings schon. Alleine im ökonomisch prosperierenden Rhein-Main-Gebiet suchten Unternehmen von der IT-Branche bis hin zur Gastronomie weiter händeringend nach qualifizierten Arbeitskräften. Deshalb spricht sich Niethammer dagegen aus, nur Spitzenkräfte ins Land zu holen. Deren Anwerbung gestalte sich ohnehin schwierig, weiß Niethammer zu berichten. Und das liege nicht nur an der fehlenden gesetzlichen Grundlage für die Zuwanderung. Gerade einmal 1.700 ausländische Spezialisten von 10.000 avisierten seien bis jetzt mit der Green Card in den Wirtschaftsraum Rhein-Main gekommen. Niethammer: „Die gehen lieber in andere Länder; da fühlen sie sich wohler.“

Integrationsfreundliche Rahmenbedingungen für die Zuwanderer und die schon lange hier lebenden Ausländer, die auch ohne deutschen Pass de facto längst zu Inländern geworden seien, müssten jetzt geschaffen werden, forderte Niethammer und versprach, dass auch die Wirtschaft ihren Beitrag leisten werde. Dass vor allem die Eliten in Asien und in Osteuropa zögern, nach Deutschland zu kommen, führt Niethammer auf zwei Ursachen zurück: den Mangel an Lebensqualität etwa im Vergleich mit den Vereinigten Staaten und den militanten Rechtsradikalismus, der weltweit für negative Schlagzeilen sorge.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT