piwik no script img

Ganz Lateinamerika fürchtet den Tango-Effekt

Die argentinische Wirtschaftskrise breitet sich in die Nachbarländer aus. Argentinische Provinzen könnten das Sparpaket des Präsidenten mittragen

BUENOS AIRES taz ■ Der argentinische Präsident Fernando de la Rúa hat sein vergangene Woche angekündigtes Sparpaket verteidigt. In einer Fernsehansprache am Sonntagabend sagte de la Rúa, das Konzept „Null Defizit“ sei der „einzige Ausweg“ aus der gegenwärtigen Krise.

Argentinien steckt seit drei Jahren in der Rezession. Jetzt beschleunigt sich der Niedergang. Wegen der unsicheren Lage am Rio de la Plata schauen sämtliche Nachbarländer gebannt auf Argentinien, weil sie fürchten, mit in den Strudel gerissen zu werden. Die Währungen von Brasilien und Chile haben wegen der argentinischen Krise an Wert verloren, und auch Mexiko bereitet sich auf den Tango-Effekt vor.

Argentinien kämpft mit einer gigantischen Auslandsschuld in Höhe von 130 Milliarden Dollar. Inzwischen sind die Kreditzinsen so stark angestiegen, dass das Land auf den internationalen Kapitalmärkten kein Geld mehr aufnehmen kann. Die einzige Möglichkeit, die Zahlung der Schulden zu gewährleisten, sind daher drastische Kürzungen im Staatshaushalt.

Präsident de la Rúa sieht sich in einer fast ausweglosen Lage. Wegen der wirtschaftlichen Lage steht er zu Hause am Pranger. Gleichzeitig muss er die internationalen Finanzmärkte beruhigen, damit die Kreditzinsen sinken. Der Internationale Währungsfonds (IWF) fordert Kürzungen im argentinischen Staatshaushalt.

Diese können nur wirksam sein, wenn es de la Rúa gelingt, die Provinzgouverneure auf seine Seite zu ziehen, da die Zahlungen des Zentralstaats an die Provinzen für einen großen Teil des argentinischen Haushaltsdefizits verantwortlich sind. 13 von 23 Provinzen sind jedoch fest in der Hand der oppositionellen Justizialistischen Partei (PJ). Und die PJ hat sich redlich darum bemüht, de la Rúa in den vergangenen Monaten das Leben schwer zu machen. Mit Blick auf die PJ-Gouverneure sagte er, seine Sparpläne seien „nicht verhandelbar“.

Vieles deutet nun darauf hin, dass die Blockadefront bröckelt und dass die Gouverneure de la Rúas „Pakt der Unabhängigkeit“ unterschreiben werden, wie er sein Sparpaket getauft hat. Damit machen sich die Gouverneure in der Bevölkerung nicht unbedingt beliebt.

De la Rúa hat angekündigt, die Renten und die Gehälter der Staatsangestellten um 13 Prozent zu kürzen. Da er nur den Rentnern in die Tasche greifen will, die über 300 Pesos im Monat beziehen, blieben seinen Angaben zufolge 70 bis 80 Prozent der Rentner vor der Maßnahme verschont. Desweiteren will de la Rúa eine Verwaltungsreform durchführen und Korruption bekämpfen. Auf diese Weise hofft er, 1,5 Milliarden Dollar einzusparen.

De la Rúa spürt, dass die Uhr gegen ihn läuft, und zeigte sich ungewohnt kämpferisch. „Ich will wissen, wo die Schurken sind, die uns diese hohe Schuld überlassen haben“, sagte der Präsident und beschuldigte damit zum ersten Mal indirekt seinen Amtsvorgänger Carlos Menem, der in seiner Amtszeit (1989–1999) die öffentlichen Schulden verdoppelt hat. INGO MALCHER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen