: „Mehr Grün am Stück ist nicht drin“
Die Pläne für die Bebauung des Gleisdreiecks reifen. Senat und Baugesellschaft sind sich fast einig über einen Austausch von Bauflächen. Anwohnerinitiativen befürchten nun eine Zerstückelung des dort ursprünglich geplanten Parks
von CHRISTIAN TERIETE
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und die Immobiliengesellschaft der Deutschen Bahn, Vivico, stehen offenbar kurz vor einer Einigung über die Gestaltung des Gleisdreiecks. Das jüngste Angebot der Stadtentwickler an die Vivico sieht vor, dort 16 Hektar Fläche als Baugelände auszuweisen. Dafür soll die Vivico der Stadt eine andere Fläche des Gleisdreiecks von 17 Hektar für eine Parklandschaft überlassen.
Zurückzuführen ist dieses Angebot auf einen Vertrag von 1994, in dem sich die Bahn und das Land Berlin auf diesen Handel einigten. Nicht festgelegt wurden damals jedoch die Ausdehnung und Ausnutzung der Bauflächen. Der Vorschlag der Senatsverwaltung stößt nun bei verschiedenen Bürgerinitiativen auf heftige Kritik. Sie bestehen auf Einhaltung des gültigen Flächennutzungsplans. Der weist nach Ansicht der Initiativen einige Teilbereiche des Gleisdreiecks als Grünlandschaft aus, die nach dem neuen Gestaltungsplan der Stadtentwickler zur Bebauung freigegeben werden sollen.
Trotz der öffentlichen Kritik scheinen Vivico und Stadtentwickler kurz vor einer Einigung zu stehen. „Unser neues Angebot an die Vivico ist das letzte Wort“, sagte Senatsbaudirektor Hans Stimman bei einer Diskussion mit Anwohnern am Montagabend. Seine Behörde habe der Bahn genug Zugständnisse gemacht.
„Ich sehe nur noch geringe Differenzen zwischen unseren Plänen und dem Angebot der Senatsverwaltung“, bestätigte Christoph Zock von der Vivico. Nur Details müssten noch verhandelt werden. Stimman lehnt weitere Verhandlungen ab.
Die in Initiativen organisierten Anwohner wehren sich gegen vollendete Tatsachen. Matthias Bauer von der AG Gleisdreieck kritisierte die unzureichende Informationspolitik der Behörde: „Als unmittelbar Betroffene haben wir Anlieger zuletzt von dem Angebot an die Vivico erfahren.“ Stellvertretend für die Mitglieder der AG äußerte er die Befürchtung, das Gleisdreieck könne durch übermäßige Bebauung zerstückelt werden. Man setze sich weiterhin für einen zusammenhängenden Naturpark ein.
Genau das wolle auch die Senatsverwaltung, beschwichtigte deren Baudirektor Stimman. Die 17 Hektar neue Parklandschaft in Verbindung mit dem bereits vorhandenen vier Hektar großen Rubinienwald nannte er eine Optimallösung. „Mehr Grün am Stück ist einfach nicht drin“, sagte Stimann und warb um Zustimmung für sein Konzept. Den Vorwurf der AG, das Angebot seiner Behörde ließe sich mit dem Flächennutzungsplan nicht vereinbaren, wies er zurück. Die vorgesehene Bebauung lasse sich daraus eindeutig entwickeln.
Unterstützung erhält Stimman von Franz Schulz (Grüne), Baustadtrat von Kreuzberg-Friedrichshain. Der kritisierte bisherige Pläne der Vivico und warb gleichzeitig für den Vorschlag des Senatsbaudirektors: „Wir sollten dieses Angebot unterstützen, obwohl wir damit einige Kröten schlucken müssen.“ Die Vertreter der Initiativen wollen jedoch nicht von ihren Forderungen abrücken.
Der Streit um das Gelände begann Ende der 80er-Jahre. 1990 sollten die Parkpläne über eine Bewerbung des Gleisdreiecks für die Bundesgartenschau 95 umgesetzt werden. Diese Idee wurde jedoch 1992 wieder verworfen, als das Gelände für die Baulogistik Potsdamer Platz gebraucht wurde. Im Sommer 1999 brachte die Senatsverwaltung für Wirtschaft sogar den Bau eines Vergnügungsparks nach dem Vorbild des Kopenhagener Tivoli ins Gespräch. Derzeit gastiert der Restaurantzirkus „Pomp Duck and Circumstances“ für anderthalb Jahre auf dem Gelände.
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