: Allein gegen alle
Der Drohbriefschreiber Olaf Staps ist wegen Brandstiftung und Störung des öffentlichen Friedens zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Was ihn in seinem Inneren antrieb, konnte der Gerichtsgutachter nur vermuten. Gericht: So einen erlebt man selten
von PLUTONIA PLARRE
Allein im Kampf gegen Bauterror und Hauseigentümer. Allein gegen 100.000 Demonstranten beim PDS-Gedenkmarsch für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Allein gegen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht. Allein gegen die Presse: Bis zum Ende, als vor dem Berliner Landgericht gestern das Urteil erging, blieb der 41-jährige Olaf Jürgen Staps dem Bild des unbeugsamen Einzelgängers treu..
Vier Jahre Freiheitsstrafe wegen Brandstiftung, Nötigung und Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung einer Straftat verhängte das Gericht. Mit der Strafe waren die Richter ein halbes Jahr unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft geblieben. Der Vorsitzende Harald Jung begründete dies mit dem rückhaltlosen Geständnis des Angeklagten und der Tatsache, dass dieser nicht versucht hat, seine Taten zu verharmlosen oder zu beschönigen. „Wir haben ihm angerechnet, dass er ein sehr, sehr ehrlicher Angeklagter ist“, so Jung. Staps hatte seine Vergehen als politische Gegenwehr gegen an ihm begangene Verbrechen gerechtfertigt. Strafmildernd bewertete das Gericht, dass der Angekagte nach Feststellung des Gerichtspsychiaters an einer „narzistischen Persönlichkeitsstörung mit zwanghaft querulatorischen Anteilen“ leidet.
Wenn Staps zu Höchstform aufläuft, was in dem Prozess häufig geschah, hört sich das so an: Das Gericht sei „Klassenjustiz pur“, und spreche „im Namen eines gehirnamputierten Pöbels Recht“. Die im Gerichtssaal versammelten Journalisten betitelte er als „intellektuelle Prostituierte“, die sich von finanzgewaltigen Verlagen die Meinung aufdrücken ließen. „Müssen Sie nicht nicht jedes Mal kotzen, wenn Sie in den Spiegel sehen?“, erkundigte sich Staps. Wenn er seinen früheren Vermieter, den Eigentümer des Hauses Grünberger Straße 52 in Friedrichshain, und die PDS mit Begriffen wie „Ungeziefer“ und „Schwerstverbrecherpack“ bedachte, war das noch freundlich.
Über die Gründe für diese Ausbrüche kann nur spekuliert werden. Der gebürtige Thüringer hatte seit 1986 in der Grünberger Straße 52 gewohnt. Nach der Wende wurde das Haus an eine Immobilienfirma verkauft. 1998 begann die Sanierung. Staps sah nicht ein, dass er seine Wohnung, die vor wenigen Jahren erneuert worden war, verlassen sollte. Er weigerte sich ausziehen und blieb als einziger Mieter in dem Haus übrig.
Nach Monaten des Bauterrors und diversen Wasserdurchbrüchen durch die Decke seiner Wohnung, die er als gezielte Schikane empfand, griff Staps zur Gegenwehr. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion sägte er neu verlegte Heizungsrohre durch und warf diese in den Hof. Es folgte die fristlose Kündigung.
In den wenigen Tagen, die ihm bis zum Zwangsräumungstermin blieben, versuchte er das Ganze abzuwenden, in dem er die PDS-nahe Baustadträtin von Friedrichshain um Hilfe bat. Als Antwort bekam er den Hinweis, er könne sich bei der Odachlosenbetreuung des Bezirksamtes melden. Da zündete Staps das leerstehende Haus an. Der Plan, es der PDS heimzuzahlen, die er für seine Obdachlosigkeit mit verantwortlich macht, reifte, als er sich monatelang auf dem Dachboden des leerstehenden Gefängnisses in Rummelsburg ohne Wasser, Heizung und Strom versteckte. Die Drohung, den PDS-Gedenkmarsch mit Handgranaten und Maschinenpistolen anzugreifen, sei als „Bluff“ gemeint gewesen, um „Öffentlichkeit herzustellen“, sagt Staps. Dass die Polizei die Aktion dermaßen ernst genommen habe, habe ihn selbst überrascht.
Nachdem er im Dezember 2000 in einer Diskothek verhaftet worden war, hatte Staps bereitwillig mit den Ermittlungsbehörden kooperiert. Er zeigte ihnen, an welchen Stellen im Haus er gezündelt und wo er sich im Laufe der 15-monatigen Fahndung nach ihm versteckt gehalten hatte. Nur in sein Inneres wollte er sich nicht gucken lassen. Ein persönliches Gespräch mit dem psychiatrischen Sachverständigen Uwe Lange lehnte er rigeros ab. Das führte dazu, dass der Sachverständige seine Expertise auf rund 1.000 Seiten Aufzeichnungen von Staps stützte, die auf dessen beschlagnahmten Notebook gespeichert waren. „Schreiben“ sei für den Einzelgänger Staps eine Form von Beziehungsersatz, sagte der Gutachter. In dem er sich seine Wut über die Ungerechtigkeit der Welt von der Seele schreibe, verschaffe sich Staps Erleichterung. „Es ist für ihn die einzige Form von Kontakt, den er nur mit sich selbst hat.“
Dass auf der Grundlage von schriftlichen Aufzeichnungen keine solide Einschätzung über eine Person und deren Beweggründe für eine Tat entstehen kann, liegt auf der Hand. Deshalb betonte der Gutacher bei seinen Ausführungen vor Gericht auch immer wieder, dass er sich bei seiner Beurteilung des Angeklagten im Bereich der Spekulation bewege. Trotzdem meinte Lange sagen zu können, dass Staps ein gestörtes Verhältnis zu Frauen habe.
Nachdem seine Mutter ungewollt mit ihm schwanger geworden sei, habe er sich als Kind abgelehnt gefühlt. Nach mehreren Kränkungen in Liebesbeziehungen habe Staps begonnnen, seine Wut auf den Staat zu übertragen. „Das bedeutet nicht, dass Herr Staps die ihm vorgeworfenen Straftaten aus enttäuschter Liebe gemacht hat, sondern dass er möglicherweise alles ablehnt, weil er sich selbst als abgelehnt erlebt hat. Er zieht sich zurück, weil er befürchtet, zurückgewiesen zu werden“, vermutet Gutachter Lange. Staps wolle seine Taten als politische Aktionen bewertet wissen. „Wenn jemand in seiner Biografie herumwühlt, empfindet er das als Angriff.“ Die Reaktion des Angeklagten auf diese Einschätzung kam prompt: „Wie lange muss ich mir diesen Quatsch eigentlich noch anhören?“, fauchte Staps.
In seinem Schlusswort vor der Verkündung des Urteils griff der Angeklagte die These des Gutachters gestern noch einmal auf. Wenn es zuträfe, dass sein gestörtes Verhältnis zu Frauen der Grund für seine staatsfeindlichen Taten sei, dürfe das Gericht ihn auf gar keinen Fall lange ins Gefängnis sperren. „Sonst wird mein Verhältnis noch gestörter, und ich begehe noch mehr Taten“, drohte Olaf Jürgen Staps provokativ.
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