: „Die Antwort weiß nur der Markt“
sagt die FDP auf die Frage, wer einwandern soll. Nach ihrem Zuwanderungskonzept soll jeder kommen, für den es eine Stelle gibt. Voraussetzung ist, dass sich kein Deutscher für den Job findet. Begrenzung auf fünf Jahre – mit Aussicht auf Verlängerung
von LUKAS WALLRAFF
So viel Interesse hatten die Liberalen gar nicht erwartet. Schon bevor der FDP-Bundestagsabgeordnete Max Stadler gestern in Berlin das Zuwanderungskonzept seiner Partei vorstellte, waren die Pressemitteilungen vergriffen. Eilig mussten Stadlers Mitarbeiter zum Kopierer rennen und für Nachschub sorgen.
Der Grund für die große Nachfrage nach dem FDP-Papier war vor allem der Zeitpunkt der Präsentation: „Anfang August“, also bald, wird Innenminister Otto Schily (SPD) seinen Gesetzentwurf für ein Zuwanderungsgesetz vorstellen. Seit Tagen kursieren angebliche Exklusivinformationen über den Inhalt des Papiers in den Medien. Doch was Schily wirklich vorhat, weiß keiner. Der unberechenbare Innenminister schweigt und seine Sprecher hat er angewiesen, bloß noch nichts zu verraten. Nicht einmal den genauen Termin sollen sie preisgeben. Also steigt die Spannung weiter – und die FDP nutzt die Gunst der Wartezeit, um mal wieder auf sich aufmerksam zu machen. Das ist ihr gelungen.
Radikaler als SPD, Grüne und die Union fordern die Liberalen in ihrem frisch überarbeiteten Zuwanderungskonzept, die Einwanderungspolitik künftig ganz auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes auszurichten. Wie viele MigrantInnen sollen kommen? „Die Antwort weiß ganz allein der Markt“, sagte Stadler gestern. Während die Süssmuth-Kommission vorerst nur 50.000 neue ArbeitsmigrantInnen pro Jahr ins Land lassen will, plädiert die FDP für eine unbeschränkte Öffnung des Arbeitsmarkts für ausländische Interessenten. Wer ein Jobangebot in Deutschland hat, soll kommen dürfen. „Wenn die Firma XY Bedarf hat, zehn Ingenieursstellen zu besetzen“, so Stadler, „sollte nicht erst nachgesehen werden, ob die Quote schon erfüllt ist oder nicht.“ Nur eine Voraussetzung muss nach den Vorstellungen der FDP erfüllt sein: Die Behörden sollen prüfen, „ob der Arbeitsplatz von Deutschen besetzt werden kann“. Wenn dies nicht der Fall ist, soll der ausländische Bewerber ganz schnell und unbürokratisch eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Zunächst für fünf Jahre, aber „mit Perspektive auf einen Daueraufenthalt“.
Die Einwanderung von Arbeitskräften soll nicht nur quotenfrei geregelt werden, sie soll sich auch nicht auf Hochqualifizierte und den Bedarf großer Firmen beschränken. Auch im Mittelstand, Handwerk und bei Dienstleistern gebe es eine Nachfrage, betonte Stadler. „Hier geht es darum, den aktuellen Mangel auf dem deutschen Arbeitsmarkt auszugleichen“. Der mäßige Erfolg der Green-Card-Regelung ficht Stadler wenig an. Dass bisher nur 8.556 ausländische Computerexperten nach Deutschland kamen, sei kein Beweis für mangelnden Bedarf. Wichtig sei es jetzt, noch flexiblere und unbürokratischere Angebote zu machen.
So schlägt die FDP wie die Süssmuth-Kommission auch die Zuwanderung von jungen, gut ausgebildeten Menschen ohne konkreten Arbeitsplatz vor. Diese Art der Zuwanderung soll dann aber doch quotiert und von Kenntnis der Sprache, Alter, Ausbildung und Berufserfahrung abhängig sein.
Beim heftig umstrittenen Asylrecht will die FDP nichts ändern. „Unabhängig von der Arbeitsmarktsituation“, so Stadler, müsse Deutschland auch in Zukunft Flüchtlinge aufnehmen. „Die humanitären Verpflichtungen zum Beispiel aus dem Asylgrundrecht werden weiterhin voll erfüllt“, heißt es in dem FDP-Konzept. Zuwanderung und Asyl wollen die Liberalen aber nach einem „Zwei-Türen-Modell“ strikt trennen. Der Umweg über einen Asylantrag sei der falsche Weg für die Zuwanderung, sagte Stadler. Außerdem müssten die oft viel zu langen Verfahren verkürzt werden. Opfer nicht staatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung sollen das „kleine Asyl“ nach Paragraf 51 Ausländergesetz erhalten.
An dem geplanten rot-grünen Zuwanderungsgesetz möchte die kleine Oppositionspartei FDP gerne mitarbeiten. „Wir sind zu Gesprächen bereit“, sagte Stadler.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen