: Schöne neue Einkaufswelt
Produktpräsentation mit Show: DaimlerChrysler feiert das einjährige Bestehen der „Mercedeswelt“. Das Autohaus am Salzufer steht für den Siegeszug der Eventkultur jenseits des öffentlichen Raumes
von LARS KLAASSEN
Als „Erfolgsstory mit mehr als 1,2 Millionen Besuchern“ feierte DaimlerChrysler vor einer Woche das einjährige Bestehen seiner „Mercedeswelt“. Über 200 Veranstaltungen fanden schon in dem repräsentativen Autosalon der etwas anderen Art statt. Hier wurde Frank Steffel mit großem Tamtam zum Spitzenkandidaten der CDU für die kommende Abgeordnetenhauswahl gekürt. Zur Geburtstagsfeier erschien nun Klaus Wowereit. Der Konzern mit dem Stern hat mit seinem Hauptstadtschaufenster eine Event-Arena geschaffen, das klassische Autohaus wurde in eine Veranstaltungswelt eingebettet. Ergebnis dieser Symbiose ist das „Markencenter Mercedeswelt“ – eine Architektur gewordene Image-Maschine.
Für größere Events mit bis zu 2.000 Besuchern wird das Atrium der Ausstellungshalle genutzt. Dass der Bau mit einer Ausstellungsfläche von 14.000 Quadratmetern – inklusive 310 Präsentationsplätzen für PKWs – mehr sein soll als ein schlichtes Autohaus, demonstriert der Hausherr durch ausgesuchte Akzente im Interieur. Auf dem so genannten „Marktplatz“ steht ein 750 Jahre alter Olivenbaum. Ein Wasservorhang in der Mitte der Halle wird von zwei Kletterwänden flankiert, die unter anderen der Deutsche Alpenverein regelmäßig nutzt. Eine voll bewegliche Videoleinwand wird für Live-Übertragungen von Sportereignissen und „Movie-Nights“ genutzt. Den kulinarischen Teil des Erlebniskonzeptes übernimmt das Restaurant am „Marktplatz“.
Doch ums Automobil kommt man in der „Mercedeswelt“ letztlich nicht herum: Ein Formel-1-Simulator, die Ausstellungsfläche zum Themenbereich Oldtimer oder ein mitten im Raum schwebender Sportwagen aus den 70ern machen deutlich, worum sich hier alles dreht. Dem Selbstverständnis dieser „Mercedeswelt“ als hauptstädtischem Flaggschiff des Unternehmens gehorchend, bilden die Automobile der gehobenen Preisklassen den Schwerpunkt der eigentlichen Fahrzeugschau.
Insgesamt 13 Standorte hat der Automobilhersteller in Berlin. Vier davon wurden 1997 nach grundlegender Erneuerung neu eröffnet, ein fünfter in Marzahn komplett neu errichtet. Auch bei diesen Um- und Neubauten ließ sich das Unternehmen von den gleichen Zielen leiten wie bei der Mercedeswelt: Großzügig gestaltete, sachliche Hallen aus Glas und Stahl schaffen Raum für besondere Attraktionen und Veranstaltungen.
Die Verbindung der Produktpräsentation mit Show und Events sieht man auch bei anderen Automobilkonzernen; so baut Volkswagen eine „gläserne Fabrik“ in Dresden und eine so genannte „Autostadt“ in der Zentrale in Wolfsburg. Bei Mercedes ist die Berliner Niederlassung Vorreiter dieser Entwicklung. Die Eröffnung des Hauses am Salzufer bildet den Schlussstein in Sachen Hauptstadtrepräsentation. Darüber hinaus soll die Fertigstellung des Komplexes allerdings der Auftakt für die Renaissance eines ganzen Stadtquartiers sein.
Das gesamte, rund 20 Hektar große Areal nördlich des Ernst-Reuter-Hauses, so Senatspläne, soll umstrukturiert und zur „Spreestadt Charlottenburg“ ausgebaut werden. Der zweite städtebauliche Realisierungswettbewerb wurde 1999 entschieden. Das Architektenbüro Hemprich/Tophof erhielt den Zuschlag für seinen Entwurf, der das alte Industriegebiet zu einem Viertel mit rund 400 Wohnungen und etwa 31.000 Quadratmetern Büro- und Gewerbeflächen entwicken soll. Der Entwurf von Hemprich/Tophof trägt dem Umstand Rechnung, dass die „Mercedeswelt“ den künftigen Büro- und Gewerbestandort in der „Spreestadt Charlottenburg“ dominieren wird. Entsprechend werden sich die neu zu schaffenden Bauten um die Plaza gruppieren und dieser auch an der südlichen und östlichen Seite eine klare Begrenzung schaffen.
Dieses rund 55.000 Quadratmeter große Wettbewerbsgebiet, das direkt an das Mercedes-Gebäude anschließt, ist der zweite Baustein der „Spreestadt Charlottenburg“, die im Planwerk Innenstadt der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung als wichtigstes Stadtentwicklungsgebiet der Innenstadt Westberlins ausgewiesen ist. Bereits im März 1999 wurde über den Bereich rund um die Königliche Porzellan Manufaktur am S-Bahnhof Tiergarten entschieden. Der letzte zu gestaltende Teilbereich liegt auf dem ehemaligen Siemensgelände am Salzufer, das nordwestlich an die Mercedes-Niederlassung grenzt.
Dass die Reurbanisierung eines Stadtviertels auch hier wieder einmal primär unter dem Vorzeichen des dreizackigen Sterns vollzogen werden soll, verwundert mittlerweile nicht mehr. Doch während die Autobauer sich den Potsdamer Platz mit grünem Debis-Würfel und Stern auch symbolisch angeeignet haben, wurde am Salzufer umgekehrt verfahren. Für das Autohaus wurde auf das Logo als Dachzierde verzichtet. Die Marke wird nur indirekt – durch Events – präsentiert. Das Ergebnis bleibt das gleiche: Die Stadt wird zur „landscape of power“, deren Symbolwelt lediglich die Bedeutung von privater Macht als relevanter Größe vermittelt.
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