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Berlin im Balkan-Blues

Vor drei Wochen wähnte sich der Bundestag vor einer Sondersitzung zu deutschen Nato-Truppen in Mazedonien. Nun herrscht Schweigen

BERLIN taz ■ Auch gestern sind sie wieder zusammengekommen, schon den dritten Montag in Folge. „Unterrichtung der Fraktionsspitzen“, heißt das Ritual, und offiziell ist es streng vertraulich. Kanzlerberater Michael Steiner sowie je ein Beamter aus dem Außen- und dem Verteidigungsministerium informieren die obersten Volksvertreter im Bundestag über neue Entwicklungen in der Mazedonienfrage. Doch das Interesse der Spitzen von Oppositions- und Regierungsfraktionen hält sich in Grenzen, die meisten schicken nur die Stallwache.

Der Grund ist einfach: Von einer Bundestagssondersitzung zu Mazedonien ist derzeit keine Rede mehr. Als die Politiker Mitte Juli für die Sommerpause packten, gingen die meisten davon aus, bereits Ende des Monats wieder im Plenarsaal zu sitzen. So akut schien die Lage auf dem Balkan, so dringend der Bedarf, über eine deutsche Beteiligung an der Nato-Operation „Essential Harvest“ abzustimmen. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos sprach wenig später sogar konkret vom 2. und 3. August als möglichem Termin. Das Datum ist längst verstrichen, und inzwischen vermögen nicht mal die positiven Nachrichten aus Mazedonien die Fraktionen in Stimmung zu versetzen.

Einigung im Sprachenstreit zwischen Albanern und Mazedoniern? Einigkeit bei der Polizeireform? „Es ist ein bisschen die Hektik aus der Diskussion“, heißt es achselzuckend in der SPD-Fraktion, „weil kein Termin in Aussicht ist.“ Zwei Mal seien avisierte Sondersitzungen wieder abgeblasen worden, und auch nach den Entwicklungen vom Wochenende gelte: „Es gibt keinen Termin.“ Bei der Opposition ist die Stimmung ähnlich zurückhaltend, der Balkan-Blues macht sich breit. In Mazedonien sei doch noch jede Verhandlungsrunde demselben Schema gefolgt, heißt es in der FDP-Fraktion: „Erst Optimismus, dann Nachdenken, und zum Schluss sagt die UÇK ab.“

Die Bundesregierung ist kaum weniger skeptisch gestimmt als die Parlamentarier. Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye sah gestern weiterhin „keine Terminlage“ für eine Sondersitzung. Im Auswärtigen Amt fällt die Bewertung von Polizeireform und Sprachenkompromiss zwar wohlwollend aus, doch vom großen Durchbruch spricht auch hier keiner. Es seien „Zwischenschritte in die richtige Richtung“, sagte Joschka Fischers Sprecherin Sabine Sparwasser, „aber es sind noch eine ganze Reihe weitere Schritte erforderlich“. Heye ergänzte, erst wenn „ein belastbares Ergebnis vorliegt“, das die Zustimmung aller Konfliktparteien finde, werde das Prozedere für eine Sondersitzung des Bundestags in Gang gesetzt.

Ob die rot-grüne Regierung dann tatsächlich eine Mehrheit zusammenbekommt, ist weiterhin fraglich. Seit die Sondersitzung nicht mehr unmittelbar bevorsteht, ist auch der Versuch der Koalitionäre erlahmt, jene 23 Sozialdemokraten und 7 Grünen wieder einzufangen, die sich bereits gegen den Bundeswehreinsatz aussprachen. SPD-Fraktionsvize Gernot Erler hatte den Abtrünnigen in seinen Reihen bisher lediglich per Brief zugesichert, eine Sondersitzung werde „auf keinen Fall in einer Drucksituation übers Knie gebrochen“. Die Abgeordneten würden „in zwei Sitzungstagen ausreichend Zeit bekommen, alle notwendigen Daten und Informationen zu überprüfen und abzuwägen.“ Weil die Koalition im Bundestag nur über 7 Stimmen Mehrheit verfügt, wäre sie ohne die Dissidenten auf die Opposition angewiesen.

Die FDP beharrt derzeit ebenso auf ihrem Nein wie die Union. Die Soldaten seien nicht gut genug ausgerüstet, argumentiert CSU-Chef Edmund Stoiber. Fischer dagegen habe sich bei seinem letzten Mazedonienbesuch aus Angst so schützen lassen, „dass man seine Nasenspitze nicht mehr gesehen hat“.

PATRIK SCHWARZ

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