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Ein Dorf ohne Männer

■ Der Bremer Militärpfarrer war auf „Erkundung“ im Kosovo / Jetzt trommelt er für ein Selbsthilfeprojekt behinderter Frauen

In dieser Woche ist der Bremer Militärpfarrer Immo Wache von einer einwöchigen „Erkundung“ im Feldlager Prizren im Kosovo zurückgekehrt, wo er sich über die psychosoziale Belastung der Soldaten und verschiedene Hilfsprojekte vor Ort informierte. Der 40-jährige evangelische Theologe, der in der Nachschubschule des Heeres in Garlstedt unterrichtet, sammelte außerdem Material zur „Begegnung der Religionen“ in der Krisenregion.

taz: Herr Wache, warum muss ein deutscher Soldate Ahnung von anderen Religionen haben?

Immo Wache: Das ist wichtig, weil etliche Soldaten – viele davon aus den neuen Ländern – überhaupt keine religiöse Bindung haben und sie in einem Konfliktland Dienst tun, in dem Religion eine große Rolle spielt. Die Soldaten haben zum Teil ja auch außerhalb der Kaserne Dienst, sie fahren Kontrollen, sie bewachen kirchliche Einrichtungen – da muss man wissen, wie man den Menschen gegenübertritt, wenn man zum Beispiel in einen moslemischen Haushalt geht.

Was gibt es dabei zu beachten?

Man spricht als erstes nicht die Frau an, sondern den Mann. Wenn man in eine Wohnung geht, dann zieht man sich die Schuhe aus. Man gibt sich grundsätzlich die rechte Hand und nicht die linke und all solche Sachen.

Kulturelle Umgangsformen ...

Ein Konflikt ist es natürlich, wenn sie in ein Dorf kommen, wo es keine Männer mehr gibt. Weil sie alle erschossen wurden – 136 Männer und Jugendliche, der jüngste war 14 Jahre. In Albanien haben sie die besondere Situation, dass eine Frau solange wichtig ist, wie sie sich im Haus aufhält, Kinder hat oder Großmutter ist. Wenn sie Witwe wird, dann hat sie große Sorgen. Wenn eine Frau behindert ist, dann hat sie erst recht große Sorgen. In diesem Zusammenhang habe ich ein Selbsthilfeprojekt besucht, „Jeto Jeten“ (Lebe das Leben), das ich gerne unterstützen möchte.

Erzählen Sie davon.

Dazu gehören 46 behinderte Frauen im Alter von 14 bis 50 Jahren. Sie versuchen, sich in die Gesellschaft zu integrieren, sie versuchen Computer- und Englischkurse durchzuführen, eine Fahrschulausbildung zu ermöglichen. Diese Frauen sind zur Zeit sehr notdürftig in einer ehemaligen Sporthalle untergebracht, aus der sie jetzt heraus sollen. Jetzt haben sie auf Grund des Engagements deutscher KFOR-Soldaten die Möglichkeit, ein eigenes Haus zu bauen, vorausgesetzt, es findet sich ein Spender, der bis Dezember 40.000 Mark locker gemacht hat.

Sie waren auch im Kosovo, um sich über die psychische Situation der Soldaten vor Ort zu informieren. Was haben Sie erlebt?

Ich habe diesen Selbstmord eines Bundeswehrsoldaten, über den in den Medien berichtet worden ist, mitbekommen. Der ist nicht genuin durch den Auslandseinsatz bedingt. Es ist trotzdem eine große Belastung, wenn man sechs Monate von Zuhause weg ist. Es ist eine große Belastung, wenn man täglich 42 Grad im Schatten hat und eine hohe Luftfeuchtigkeit dazu. Wenn Sie bei diesen Temperaturen rausgehen, müssen Sie als deutscher Soldat immer eine Schussweste tragen. Die wiegt 18 Kilo.

Wie sieht es mit der Erfahrung von Gewalt aus?

In Prizren selbst wenig. Natürlich weiß jeder, dass jenseits der Berge die mazedonische Grenze ist. Es ist weniger eine akute Gefährdung durch militärische Gewalt als vielmehr durch Verkehrsunfälle. Die Albaner haben eine Fahrkultur, die jeder Beschreibung spottet. Und: Man muss vorsichtig sein, dass man nicht von der Fahrbahn abkommt in ein möglicherweise vermintes Gebiet.

Sind die sechs Monate Einsatzzeit zu lang?

Ja, eindeutig.

Fragen: Milko Haase

(Spendenkonto: Stichwort „Jeto Jeten“, Konto 4632900 bei der Volksbank Osterholz-Scharmbeck, BLZ 29162394)

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