piwik no script img

Kartoffeln künftig ohne Giftdusche

Und sie bewegt sich doch: Überraschend verbietet die Biologische Bundesanstalt den Einsatz des Kartoffelgifts Brestan wegen „unvertretbarer Auswirkungen“. Versuche zeigen Hormonstörungen bei Schnecken. Nabu fordert: Alle Pestizide überprüfen

von BERNHARD PÖTTER

Ein Gift weniger auf deutschen Äckern: Mit sofortiger Wirkung hat die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) am Donnerstag abend dem umstrittenen Fungizid „Brestan flüssig“ die Zulassung entzogen. Das Mittel enthält die zinnorganische Verbindung TPT und schädigt den Hormonhaushalt von Tieren und möglicherweise auch von Menschen (die taz berichtete).

Das Verbot kommt in letzter Sekunde, um den alljährlichen flächendeckenden Einsatz des Pilzgiftes zu verhindern. Denn momentan bereiten die deutschen Kartoffelbauern für die Winterkartoffeln die „letzte Spritzung“ mit Brentan vor. Das Mittel ist bei den Landwirten beliebt, weil es verhindert, dass sich die Kraut- und Knollenfäule auf den Früchten ausbreitet und die Ernte zerstört. Jedes Jahr kamen bisher etwa 50 Tonnen des Pilzgiftes zum Einsatz. Damit ist es nun vorbei: „Verkauf und Anwendung von Brestan flüssig sind ab sofort nicht mehr erlaubt“, hieß es von der Behörde, weil es „nicht zu widerlegende Befürchtungen gibt, dass es unvertretbare Auswirkungen auf die aquatischen Lebensgemeinschaften hat“.

Genau das hatten Umweltschützer, das Umweltbundesamt und auch die EU-Kommission seit Jahren behauptet. Nicht nur auf Fische und Schnecken wirke das Gift, sondern auch auf Landwirte, Vögel und Bodenorganismen. Doch die BBA und die Herstellerfirma Aventis Crop Science hatten noch bis letzte Woche erklärt, es gebe keine „neuen wissenschaftlichen Daten“ über die Gefährlichkeit von Brestan. Bisherige Untersuchungen seien „nicht gerichtsfest“, hieß es noch am Dienstag aus dem Bundesministerium für Landwirtschaft. Das sieht nun offenbar anders aus. „Aventis hat Anfang August eine neue Studie über die Gefährlichkeit von Brestan bei uns vorgelegt, aus der sich neue Anhaltspunkte ergeben“, sagte der Sprecher der BBA, Wohlert Wohlers, der taz. Diese Studie sei nun gerichtsfest, falls Aventis gegen den Entzug der Zulassung für sein Mittel klagen wolle. Politischen Druck auf die schnelle Entscheidung habe es nicht gegeben, wehrt Wohlers ab. „Das ist das ganz normale Prozedere.“

Der Präsident des Naturschutzbundes Nabu, Jochen Flasbarth, begrüßte das Verbot von Brestan als „späten Sieg der Vernunft für die Sicherheit von Mensch und Natur“. Dennoch kritisierte er, die BBA habe „über Jahre vorliegende Erkenntnisse über die schädlichen Auswirkungen von TPT ignoriert und damit Verbraucher und Umwelt unkalkulierbaren Risiken ausgesetzt“. Jetzt sollten alle Pestizide neu überprüft werden, um zu einer „konsequenten Agrarwende auch beim Pflanzenschutz“, zu kommen, so Flasbarth.

Der Hersteller Aventis Crop Science gab sich gestern von dem Verbot überrascht. Er wies darauf hin, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse „von verschiedenen Zulassungsbehörden in Europa unterschiedlich bewertet werden“, und bedauerte, dass die BBA den Ausgang dieser Diskussion nicht abgewartet habe. Das Unternehmen prüfe nun „alle weiteren Maßnahmen“, hieß es.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen