: ende einer affäre
Ich und mein Finanzberater – ein Gedächtnisprotokoll
November 1999: Habe heute meinen neuen Finanzberater persönlich kennen gelernt. Bodenständiger Typ. Es gab Kaffee und Mineralwasser. Die Kurse an der Börse seien doch so hochgeschossen, sagte er, wir müssten mal über meine „Anlagestrategie“ reden. Wusste gar nicht, dass meine paar Telekom-Aktien schon so viel wert sind. Habe sofort gesagt: Verkaufen!, und damit auf der Stelle 5.000 Mark verdient. Hab ich doch ein Händchen für Geld? Ganz neues Gefühl.
Februar 2000: Besuch von D. Er sitzt abends immer vorm PC, wegen der Börsenkurse. Sagt, er habe in drei Jahren durch Aktienspekulation 100.000 Mark verdient, „mehr als durch arbeiten“. U. hat aufgemerkt, der hat nämlich nur Schulden wegen seiner Praxis. Stimmung war plötzlich komisch. Hatte doch vielleicht sein Gutes, dass man früher über Geld nicht offen gesprochen hat.
13. März 2000. Habe Infineon-Aktien gekriegt, Wahnsinn! Mein Finanzberater rief ins Telefon: „Gratuliere!“ „Verkaufen!“, sagte ich und kassierte 3.000 Mark. 300 an Terre des Hommes gespendet. Großartiges Gefühl!
Sommer 2000: Lange nichts von meinem Finanzberater gehört.
November 2000: Mit meinem Finanzberater telefoniert, er spricht von „Beruhigung“ an den Aktienmärkten, „Korrekturen“. Heißt das, wir haben was falsch gemacht? Nein, nein, jetzt sei ein guter Zeitpunkt, „Fallen Angels“ zu kaufen, abgestiegene Werte, die seien besonders billig, erklärt er.
Jahresbeginn 2001: Meine neuen „Fallen Angels“ sind weiter runter. Die Visitenkarte meines Finanzberaters habe ich verlegt.
Sommer 2001: Hätte ich im März 2000 doch alles verkauft, und aufs Festgeldkonto gelegt! Hatte schon so ein Gefühl. Doch mein Finanzberater war dagegen. Zwischen uns ist es aus! BD
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