piwik no script img

Im Schatten des Kandidaten

Die PDS verschwindet im Wahlkampf hinter der Popularität ihres Spitzenkandidaten Gregor Gysi. Von nun an will man im Karl-Liebknecht-Haus die Kompetenzen der Partei auf Bezirks- und Landesebene wieder stärker in den Vordergrund rücken

von ANDREAS SPANNBAUER

Am Ende hat es Gregor Gysi doch wieder geschafft. „Vom Diskutieren her ist der einwandfrei“, lobt Gert Limbach an diesem Vormittag vor dem Bahngebäude am Potsdamer Platz den Spitzenkandidaten der PDS. Limbach ist Vertrauensmann der Bahnarbeiter aus Sachsen, die hier seit Wochen gegen die geplante Schließung ihres Werkes in Chemnitz protestieren. „Gysi ist der erste Politiker, der sich hier sehen lässt“, freut sich der ausgebildete Diesellokschlosser und SPD-Wähler. Sein Kollege wendet sich beschwörend an den PDS-Mann: „Herr Gysi, Sie dürfen den Osten nicht ausbluten lassen!“

Nur eines missfällt den Gewerkschaftern an dem PDS-Spitzenkandidaten: Dass er der Spitzenkandidat der PDS ist. Wäre Limbach in Berlin gemeldet, dann würde Gregor Gysi seine Stimme bekommen, „auch wenn er leider in der falschen Partei ist“, wie der Mann hinzufügt.

Mit dem Auftakt der heißen Phase des Wahlkampfes hat man auch in der Parteizentrale im Karl-Liebknecht-Haus die zunehmende Diskrepanz zwischen dem Kandidaten und seiner Partei registriert. „Wir haben die PDS bisher zu wenig ins Bild gebracht“, bilanziert der Leiter des Gysi-Wahlteams, André Brie, selbstkritisch. Die PDS, so fordert Brie nun, müsse zukünftig „ihre drei Stärken in Berlin addieren“. Diese seien neben der Popularität Gysis, die weit über die PDS hinausreiche, auch die erfolgreiche Arbeit des Landesverbandes Berlin sowie die Kompetenz auf bezirklicher Ebene. Die letzten beiden Faktoren sollen in Zukunft stärker betont werden. „Gregor Gysi und die PDS sind nicht zwei unterschiedliche Paar Schuhe, sondern ein Paar.“ So ist geplant, zusammen mit dem Fraktionschef Harald Wolf einen Konsolidierungsplan für die Landesfinanzen vorzulegen, auch die Berliner Spitzenpolitiker der PDS sollen wieder mehr in den Vordergrund rücken.

Die Distanz aber bleibt. Der Kandidat selbst macht im Wahlkampf immer wieder auf Unterschiede zwischen ihm und der Partei aufmerksam. Er habe, so sagt Gysi, in seinem Buch über die Chancen und die Risiken der PDS geschrieben. Und fügt hinzu: „Ich stehe für die Chancen.“ Differenzen zwischen ihm und der PDS, würdigt Gysi die Bedeutung seiner Person für die Partei, führten zu Reibungen und damit zu Entwicklungen.

Das Auftreten von Reibungsverlusten ist dabei unvermeidlich. Auch wenn Gysi betont, dass er „keine Angst vor Imageverlusten durch die PDS“ habe. Mehrmals musste sich der Spitzenkandidat seit seiner Nominierung für die Forderung des stellvertretenden PDS-Bundesvorsitzenden Dieter Dehm rechtfertigen, die Deutsche Bank zu verstaatlichen. Gysi, der im Wahlkampf auch mit Managern mehrerer Großbanken gesprochen hat, attestiert dem Parteifreund inzwischen „ein gestörtes persönliches Verhältnis“ zu dem Finanzkonzern und wendet sich strikt gegen „Verstaatlichungsfanatiker“ und „Profilneurotiker“ in der PDS. Er jedenfalls wolle „die Deutsche Bank nicht enteignen, sondern für ein stärkeres Engagement in Berlin gewinnen“. Verteilungsgerechtigkeit bleibe aber ein „entscheidendes Ziel sozialistischer Politik“.

In Zukunft könnte sich Gysi auf eine Art für dieses Ziel einsetzen, die in PDS-Kreisen durchaus als unkonventionell gelten dürfte: Sollte er nicht Regierender Bürgermeister werden, so der PDS-Star, interessiere er sich neben der Kultur vor allem für das Amt des Wirtschaftssenators. Eine Abwanderung von Investoren sei dabei nicht zu befürchten. „Nach zehn Jahren großer Koalition befindet sich das Wirtschaftswachstum Berlins bundesweit auf dem letzten Platz.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen