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Er will nur Schmiere gestanden haben

Bei der Fortsetzung des Prozesses um die „Revolutionären Zellen“ zeigt der Kronzeuge Tarek Mousli kaum detailliertes Wissen zum Anschlag auf den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Günter Korbmacher im Jahre 1987

Mit der Sommerpause geht auch die Schonfrist für den Kronzeugen zu Ende. Gestern und am Donnerstag wurde nach vierwöchiger Unterbrechung der Prozess gegen fünf angebliche Mitglieder der „Revolutionären Zellen“ (RZ) vor dem Kammergericht fortgesetzt. Dabei vernahm der Erste Strafsenat erstmals den Kronzeugen Tarek Mousli zum Knieschussattentat auf den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Günter Korbmacher vom September 1987. Zu dem Anschlag auf den als Vorreiter einer restriktiven Asylrechtsprechung geltenden Korbmacher hatten sich damals die RZ bekannt. Sie hatten den Richter als „Schreibtischtäter“ bezeichnet, „der Menschen in die Folter oder einen drohenden Tod schickt“.

Kronzeuge Mousli, der als nahezu einziges Beweismittel in dem Verfahren gilt, bezichtigte gestern in seinen Aussagen vier der fünf Angeklagten, an dem Anschlag beteiligt gewesen zu sein. Jedoch habe er die Tat selbst nicht gesehen und kenne die Beteiligung Einzelner nur aus dem Vorbereitungsstadium oder vom Hörensagen. Er selbst habe lediglich den Tatort vor dem Berliner Haus Korbmachers ausgekundschaftet, das bei der Tat verwendete Motorrad zur Probe gefahren und während der Ausführung den Polizeifunk abgehört.

Nachdem der Kronzeuge bei seiner Vernehmung durch das Gericht erhebliche Erinnerungslücken gezeigt und sich erneut in Widersprüche verwickelt hatte, gab die Verteidigung ihre zunächst zurückhaltende Befragungspraxis auf. Ihre intensive Befragung zielte vor allem auf seine eigene Rolle bei dem Korbmacher-Anschlag und die Widersprüche zu den Aussagen seiner ehemaligen Lebensgefährtin Karmen T. ab. Diese hatte bei einer mehrstündigen Vernehmung durch das BKA 1999 angegeben, dass Mousli sich ihr gegenüber selbst als Motorradschütze bei dem Korbmacher-Anschlag ausgegeben habe. Der Kronzeuge hingegen behauptet, dass der unter dem Decknamen „Jon“ agierende Rudolf Sch. die Schüsse abgefeuert habe. Wer die zweite Person auf dem Motorrad gewesen sei, wisse er nicht mehr. Auch bei der gestrigen Aussage des Kronzeugen konnte er sich an konkrete Bilder und Situationen auch auf Nachfrage nur selten erinnern.

Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck nannte es „absolut auffällig“, dass sich Mousli ausgerechnet nicht mehr an die Identität des zweiten Motorradfahrers erinnere. Zwar habe der Kronzeuge stets „große Unsicherheiten und Erinnerungslücken“ gezeigt, aber hierbei handele es sich doch um ein zentrales Detail.

Der Prozess wird am Donnerstag mit der Vernehmung des Kronzeugen zum Anschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber 1987 fortgesetzt.

TOBIAS SINGELNSTEIN

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