: Nicht zimperlich, aber fair und herzlich
■ Wenn einer mal aus dem Rollstuhl fliegt, gehört das einfach dazu: Gastgeber RSC Hamburg belegt 2. Platz bei internationalem Rollstuhl-Basketball-Turnier in der Wandsbeker Sporthalle
Genau 23 Sekunden dauerte der Reifenwechsel. Dann war alles heile und Heidi Kirste, die querschnitt-gelähmte Flügelspielerin vom RSC Hamburg, flitzte auf ihrem Rollstuhl wieder in die Verteidigung, um gegnerische Rollstühle vom eigenen Korb wegzublocken. Es war das dritte Viertel im Endspiel des Hamburg-Cup 2001 zwischen dem favorisierten ASV Zwickau und dem gastgebenden RSC, und überraschend stand es nur 49:52 aus Hamburger Sicht.
Aus Göteborg, Brügge, Tel Aviv und eben Zwickau waren gemischte Rollstuhl-Basketballteams in die Wandsbeker Sporthalle gekommen. Zimperlich gingen sie miteinander nicht um, fair und (aber später) herzlich schon. Das lautstarke Aneinanderrasseln von Rollstühlen in voller Fahrt mag für den Laien brutal klingen, „aber wenn einer mal aus dem Rollstuhl fliegt“, sagt Nationalspielerin Kirste, „gehört das einfach dazu“. Rollstuhl-Basketball ist schnell, athletisch, taktisch und nicht unbedingt etwas für softe Gemüter. Schrittfehler werden gnadenlos abgepfiffen, Dunkings gibts keine.
Macht aber nichts. Respekt vor den Leistungen der behinderten Sportler entwickelt sich von selbst. Da wäre zum Beispiel der bescheidene Ahmet Coskun vom RSC, dessen linkes Bein wegen eines Tumors amputiert werden musste. Coskun wirft viel und trifft viel, von überall. Oder Manfred Mikschy vom ASV Zwickau, ein gleitender Spielmacher mit Argusaugen für den Mitspieler. Und es gibt die Fußgänger, „Normalos“, die sich in einen Rollstuhl zwängen, um Basketball zu spielen. Andreas Klein vom RSC ist seit drei Jahren so ein Fußgänger und findet den Sport noch „härter als normalen Basketball.“ Sein Mannschaftskapitän Holger Glinicki (47), der in den frühen Achtzigern seine Rollstühle selber noch basketballtauglich „umbastelte“, war anfangs gegen die Fußgänger, doch ohne sie wäre es nicht zu der Niveausteigerung des Rollstuhlbasketballs gekommen, weiß er heute. Schiedsrichter Rainer Luft spricht dagegen von einer „Ent-Ghettosierung“ des Behindertensports.
Für absolute Chancengleichheit ist gesorgt. Jeder Spieler wird mit einer bestimmten Punktzahl klassifiziert. Je hochgradiger die Behinderung, desto niedriger die Punktzahl. Insgesamt dürfen bei einer Mannschaft nie mehr als 14 Gesamtpunkte auf dem Feld stehen.
Bester Freund der Rollstuhlbasketballer bleibt der Rollstuhl. „Der muss am Körper kleben“, meint Heidi Kirste. Schlappe 5000 Mark kostet so ein stabiler Spezialstuhl, für den Alltagsgebrauch ist er leider ungeeignet. „Da passt du durch keine Toilettentür“, erklärt die Weltmeisterin von 1986.
Am Ende durften die Männer des ASV Zwickau den himmelblau-goldenen Pokal in die Höhe stre-cken. Mit 72:65 rückte man vorerst noch die Klassenverhältnisse zurecht, Hamburgs Trainer Peter Richarz war trotzdem sehr zufrieden. „Es ist gut zu wissen, dass man vor dem Bundesligastart so nah an Zwickau dran ist.“ Um 16.31 Uhr traf dann auch Schulsenatorin Ute Pape zur Siegerehrung ein. Diese hatte zwar kein einziges Spiel gesehen, sprach aber dennoch von einem „tollen“ Turnier und rührte die Werbetrommel für Olympia und die Para-Olympics 2012. Etwas früher und auf jeden Fall findet am 6. Oktober um 16.30 Uhr das erste Heimspiel des RSC Hamburg an gleicher Stelle statt. Mike Liem
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