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Gefährliche Auftragsforschung

Weltweit führende Medizinjournale beklagen, dass die Pharmaindustrie Forschungsergebnisse verfälscht oder gar unterdrückt, wenn die Ergebnisse nicht passen. Herausgeber verlangen künftig Offenlegung aller Interessenskonflikte

von WOLFGANG LÖHR

Die zunehmende wirtschaftliche Abhängigkeit der Medizinforscher von der Pharmaindustrie geht zu Lasten von Leben und Gesundheit der Patienten. Dreizehn der weltweit führenden Medizinjournale wollen deshalb wissenschaftliche Arbeiten nur noch dann veröffentlichen, wenn die Autoren zuvor alle Interessenskonflikte offengelegt haben. In einer gemeinsamen, von allen Journalen veröffentlichten Stellungnahme warnen die dreizehn Herausgeber gestern davor, dass zahlreiche in der Vergangenheit publizierte Studien auf Druck der Sponsoren verfälscht wurden. Ärzte würden dann aufgrund dieser vermeintlich neutralen Studien ihren Patienten gesundheitsgefährdende Medikamente verschreiben.

Seit längerem schon beraten die Herausgeber von Medizinjournalen darüber, wie sie sicherstellen können, dass sie keine verfälschten Ergebnisse oder Gefälligkeitsstudien veröffentlichen. Die Initiative, an der sich unter anderem das New England Journal of Medicine (NEJM), das Journal of the American Medical Assoziation (JAMA), das britische Magazin Lancet sowie australische, niederländische und norwegische Publikationen beteiligen, haben deshalb die Richtlinien für die Veröffentlichung von Studien überarbeitet. Die endgültige Fassung soll Anfang nächsten Jahres veröffentlicht werden. Eine Folge wird sein, dass Autoren künftig eine Erklärung unterschreiben müssen, dass ihre Studienergebnisse nicht von interessierter Seite beeinflusst worden sind. Ebenso, dass sie Zugang zu allen Rohdaten bekommen haben, das Studiendesign mitgestalten konnten, ihnen nicht die Interpretation der Daten aufgezwungen wurde und dass sie selbst den Zeitpunkt der Publikation bestimmen konnten.

Ausdrücklich betonen die Zeitschriften, dass ihre Initiative nicht gegen die Pharmaindustrie gerichtet sei, die immerhin für eine Medikamentenzulassung bis zu 500 Millionen US-Dollar investieren müssten. Aber das Interesse der Pharmunternehmen müsste in erster Linie auf das Wohlergehen der Patienten ausgerichtet sein. Das Einzige, was sie den Firmen einräumen wollen: Sie sollen vor einer Publikation die Möglichkeit haben, die Studie auf eventuell neue Patentanmeldungen zu prüfen.

Jeder von ihnen, so heißt es in der gemeinsamen Erklärung, habe bereits die Erfahrung gemacht, dass Pharmaunternehmen versucht hätten, den Umsatz beeinträchtigende Ergebnisse zu unterdrücken. So müssten vereinzelt Wissenschaftler, die im Auftrag von Pharmaunternehmen tätig werden, Verträge unterschreiben, die dem Unternehmen alle Rechte über die Studienergebnisse einräumen. Forscher hätten dann keinen Einfluss mehr darauf, wann oder ob die Studie überhaupt jemals veröffentlicht wird.

Halten die Forscher sich nicht daran, drohen ihnen teure Schadensersatzprozesse. So hat die US-Firma Immune Response einen Wissenschaftler von der University of California auf mehrere Millionen Dollar Schadensersatz verklagt: Der Forscher James Kahn hatte herausgefunden, dass ein Aidsmedikament keinen Nutzen für die Patienten hat. Immune Response versuchte die Veröffentlichung zu verhindern. Kahn ließ sich jedoch nicht unter Druck setzen und publizierte seine Ergebnisse.

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