Alte Männer in die Bürgerschaft

Wahlanalyse: Der Sieg des Bürgerblocks geht zu Lasten von Frauen und Jungen. Ältere Männer mit wenig Bildung wählten Schill  ■ Von Heike Dierbach

Die Karten des Statistischen Landesamtes gleichen sich nicht aufs Haar, aber doch im Wesentlichen. Die Stadtteile, die vor vier Jahren dunkeltürkis gefärbt waren – 5 bis 15 Prozent der Stimmen für die DVU – sind heute dunkelrosa: 17 bis 34,9 Prozent für Schill. Lurup, Eidelstedt, der gesamte Hamburger Osten, fast der gesamte Süderelberaum hat überdurchschnittlich rechts gewählt. Gestern legte Landeswahlleiter Dirk Reimes die Analyse des Statistischen Landesamtes zur Bürgerschaftswahl vor: Der Schock in Zahlen und Tabellen (siehe auch Tabelle links).

Dass ein Newcomer aus dem Stand 19,4 Prozent schafft und mit 25 Abgeordneten in ein Landesparlament einzieht, ist ein „bisher einmaliger Wahlerfolg einer neuen Partei“, so Reimers. Ermöglicht haben ihn vor allem Männer über 60 mit geringer formaler Bildung (siehe Analyse S. 2). Hochburg des rechten Richters ist Wilhelmsburg mit 34,9 Prozent. Kurz dahinter folgen Neuland/Gut Moor (32,5), Spadenland (28,0), Moorfleet (27,8), Billstedt (27,6) und Rothenburgsort (27,3). Am Schill-freis-ten sind Rotherbaum und Eppen-dorf mit 9,5 und 9,7 Prozent. Auch Ottensen (10,3), St. Pauli (11,0), Eimsbüttel (11,3), Othmarschen (12,8) und Uhlenhorst (13,0) bleiben unter der 14-Prozent-Marke. In St. Georg, das Schill als „Problemstadtteil“ inhaltlich in den Mittelpunkt seines Wahlkampfes gestellt hatte, vertrauen ihm die Menschen offenbar nicht: Hier erreichte er nur weit unterdurchschnittliche 12,2 Prozent.

Was für Schill die Wüste, ist für die Grünen das Paradies: Sie reüssierten, so weit man davon angesichts der Verluste noch sprechen kann, überdurchschnittlich in allen Innenstadtteilen sowie in Bergstedt, Volksdorf und Wohldorf-Ohlstedt. Hochburg ist immer noch St. Pauli mit 27,6 Prozent. Allerdings büßte die GAL hier auch massiv – 8,3 Prozentpunkte – ein und verlor damit ihre Rolle als stärkste Kraft im Stadtteil an die SPD. Mit deutlichem Abstand und ebenfalls großen Verlusten folgen Ottensen (22,2), Eimsbüttel (20,8), Altona Nord (20,7) und St. Georg (20,4). Eine Splitterpartei ist die GAL hingegen in Spadenland (2,4), Jenfeld (2,8), Neuenfelde (3,0) und Billstedt (3,1). Hamburgweit waren es vor allem die Jüngeren und Gebildeteren, die noch Grün gewählt haben, mit einem leichten Übergewicht bei den Frauen. Allerdings sind in den Stadtvierteln mit vielen Abiturienten auch die Verluste am höchsten.

Der SPD vertrauen offenbar immer noch vor allem die Unterprivilegierten: In Vierteln mit hoher Arbeitslosigkeit liegt die Partei bei 40,1 Prozent. Richtig rot sind noch Billbrook (48,8), Veddel (48) und Dulsberg (46,8). Es ist aber der Trend erkennbar, dass die Sozialdemokraten auch in den besseren Wohngegenden offenbar neue Wählerschichten gewinnen – hier legten sie um 2,2 Prozentpunkte zu. Herbe Verluste gab es hingegen unter den traditionellen Wählerschichten im Süderelberaum. Schlusslicht ist wie bei der GAL Spadenland (19,8), wo stattdessen Schill abgeräumt hat. Vom Bildungsniveau und Lebensalter ist die Wählerschaft ausgeglichen. Frauen wählen aber eher SPD als Männer (38,8 zu 34,9 Prozent).

Bei der CDU sehen vor allem die Besserverdienenden und darunter überwiegend Ältere und Frauen ihre Interessen am Besten vertreten. In Stadtteilen mit hohem Durchschnittseinkommen, geringer Arbeitslosigkeit und niedrigem Sozialhilfebezug erreicht die Partei um die 30 Prozent. Spitzenreiter sind Spadenland (43), die Vierlande (37,5 bis 38,1), Nienstedten (37,0) und Blankenese (36,9). Allerdings hat die CDU in diesen Stadtteilen bis zu 13,5 Prozentpunkte gegenüber 1997 verloren. Fast gleichbleibend unbeliebt ist sie in St. Pauli (10), Ottensen (13,4), Eimsbüttel (16,1) und St. Georg (16,0).

Ein ähnliches Profil wie der CDU-Wähler hat der Anhänger der FDP: Wohlhabend und gut gebildet. Auffällig ist der große Zuspruch von Selbständigen. In allen Stadtgebieten mit geringem sozialen Status verlor die FDP hingegen. Völlig abgeschlagen liegt sie in Billbrook (0,6!), Rothenburgsort (1,9) und St. Pauli (1,9). Die größten Zugewinne gab es in Blankenese (15,1, plus 6,1) und Nienstedten (15,0, plus 6,7).

Die Wahlbeteiligung ist erstmals seit 1991 wieder leicht gestiegen und lag bei 71 Prozent. Wie schon 1997 ist sie in ärmeren Stadtteilen deutlich niedriger als in wohlhabenden (62,2 zu 82,0 Prozent). Auch das Alter hat einen Einfluss: Bei den Unter-25-Jährigen ist die Lust am Wählen um 11,5 Prozentpunkte auf 61,0 Prozent gefallen. Grund dafür ist möglicherweise die „thematische Konzentration des Wahlkampfes auf die Themen Innere Sicherheit und Kriminalität, die für die jüngeren Wähler weniger starke Bedeutung haben“, so das Statistische Landesamt.

Auch altersmäßig werden Jüngere künftig in der Bürgerschaft weniger repräsentiert sein: Nur jeder zehnte neue Abgeordnete ist unter 35 Jahre alt. In der vergangenen Legislaturperiode lag der Anteil immerhin noch bei 16 Prozent. Am meisten Junge bringt noch die FDP mit (17 Prozent), gefolgt von der Schill-Partei (12 Prozent). Letztere hat dafür den geringsten Frauenanteil (12 Prozent), gefolgt von FDP (17) und CDU (21 Prozent).

Der Bürgerblock sorgt so dafür, dass der Frauenanteil des gesamten Parlaments erstmals nach zwei Jahrzehnten wieder sinkt – auf 30 Prozent.