HEUTE MUSS DER FRIEDEN BEGRÜNDET WERDEN, NICHT DER KRIEG
: So wird die Welt nicht sicherer

Woran lässt sich eigentlich eine Militarisierung der Außenpolitik erkennen? Vielleicht daran: Bis vor wenigen Jahren mussten Befürworter von Militäroperationen ihre Ziele exakt definieren und plausibel begründen, weshalb sie glaubten, dass diese sich nur mit dem Einsatz von Soldaten erreichen ließen. Das ist anders geworden. Heute müssen Gegner solcher Interventionen beweisen, dass sich das angestrebte Ziel auch auf andere Weise erreichen lässt. Im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Terror haben sie da keine Chance.

Niemand kennt einen Königsweg, und deshalb haben auch all jene, die den Angriff auf Afghanistan ablehnen, keine überzeugende Lösung des Problems parat. Das genügt, um ihre Position als hilflos abzuqualifizieren – als ob es nicht, wie die grüne Politikerin Antje Vollmer zu Recht sagt, auch hilflose Militärstrategien gäbe. Wird denn aber vielleicht die Welt durch den „Krieg gegen den Terror“ wenigstens ein kleines bisschen sicherer? Wohl kaum. Dafür haben die Bewohner der verschiedenen Regionen der Erde einen zu unterschiedlichen Blick auf diese Welt.

Viele Einwohner von Industriestaaten gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass die Terroranschläge in den USA weltweit dasselbe fassungslose Entsetzen ausgelöst haben wie in ihrem eigenen Land. Das ist ein Irrtum. Noch am ehesten dürfte die Welt im Erschrecken über die hohe Zahl schuldloser Opfer vereint sein. Mehr als 6.000 Tote: Das ist grauenvoll, auch nach dem Maßstab von Ländern, in denen Terror und Gewalt zum Alltag gehören.

Weitere Elemente, die den Schock in Deutschland vertieft haben, spielen jedoch in ärmeren Ländern keine Rolle. Die häufige Wiederholung der schrecklichen Bilder, beispielsweise. Dort, wo nur eine Minderheit einen Fernseher besitzt, ist die emotionale Distanz zu den Ereignissen in den USA zwangsläufig größer als bei uns. Auch fällt uns die Identifikation mit den Opfern leichter als anderen. Immerhin haben die meisten Toten unter ähnlichen Bedingungen gelebt wie wir selbst, und zwar in einer Stadt, die viele von uns kennen.

Nicht alle Menschen haben außerdem denselben Anlass zur Dankbarkeit gegenüber den USA wie wir. Deshalb löst auch die Erkenntnis, dass selbst diese Weltmacht verwundbar ist, eben nicht überall denselben Schrecken aus – sondern mancherorts sogar ein Gefühl stiller Genugtuung. Jetzt wissen die Amerikaner wenigstens endlich mal, wie so etwas ist: Dieses Gefühl kennen viele durchaus friedliebende Leute.

Zum Beispiel in Kenia. Bei dem Bombenanschlag auf die US-Botschaft in Nairobi 1998 starben 12 US-Bürger und mehr als 200 Kenianer. Um Spuren zu sichern, sperrten die Amerikaner das Gelände der Botschaft sehr schnell so weiträumig ab, dass dadurch die Bergung schwer verletzter Opfer im Trümmerfeld des daneben liegenden Hochhauses erschwert wurde. Das haben viele Bewohner von Nairobi nicht vergessen – ebenso wenig, wie sie die selbstlose Hilfe eines israelischen Bergungsteams vergessen haben, das einflog, um seine Erfahrung in den Dienst der Rettung von Verschütteten zu stellen.

Dankbarkeit und Ressentiment einer Bevölkerung folgen nicht immer vertrauten Freund-Feind-Linien oder dem politischen Kurs, den ihre jeweilige Regierung vorgibt. Das sollte im Zusammenhang mit der weltweiten Allianz gegen den Terror nicht vergessen werden. Wird die Kluft zwischen Regierenden und Regierten zu breit, droht Destabilisierung. Für Terror ist das der beste Nährboden.

Der Kampf der Kulturen wird nicht allein dadurch abgewendet, dass westliche Politiker fest versprechen, ihn nicht führen zu wollen – so notwendig das ist. Wann immer der Eindruck entsteht, dass ein amerikanisches oder auch ein europäisches Menschenleben mehr wert ist als ein afrikanisches oder ein asiatisches, wird dieser Kampf wahrscheinlicher. Flüchtlingshilfe und Nahrungsmittelpakete genügen nicht, um dem entgegenzuwirken. Vielleicht wünschen viele Afghanen eine Befreiung vom Terrorregime der Taliban so innig, dass sie dafür sogar den Tod einiger Zivilisten hinzunehmen bereit sind. Das muss aber nicht für diejenigen gelten, die unter diesem Regime nicht zu leiden brauchen.

Es wäre deshalb nicht nur ein Gebot der Humanität, sondern auch eines der politischen Klugheit, kein einziges schuldloses Todesopfer in Afghanistan oder sonstwo als unvermeidliche Folge der Terroranschläge auf US-Städte zu akzeptieren. Aber es gibt keinen Krieg ohne menschliche Kollateralschäden. Deshalb macht dieser Krieg die Welt nicht sicherer, sondern noch ein bisschen weniger sicher. BETTINA GAUS