Stechschritt auf deutschen Straßen

Gebirgsjäger vor der Münchner Staatskanzlei? Die Bundeswehr im Innern: Was das Grundgesetz erlaubt

FREIBURG taz ■ „Wenn Ihre Polizei in Bayern überfordert ist, dann stellen Sie doch einen Antrag auf Amtshilfe“, so tönte Verteidigungsminister Rudolf Scharping kurz nach den Anschlägen in der USA gegenüber Bayerns Innenminister Günther Beckstein. Inzwischen ist aber klar, dass die Bundeswehr in Bayern keinen Objektschutz übernehmen kann. Die CSU fordert deshalb besonders vehement, das Grundgesetz zu ändern.

Seit 1968 kann die Bundeswehr auch im Innern eingesetzt werden. Nach langen Auseinandersetzungen war damals das Grundgesetz an vielen Stellen im Hinblick auf Notstandsfälle ergänzt worden. Möglich ist ein Bundeswehreinsatz insbesondere in folgenden Fällen: – Im Verteidigungs- und im Spannungsfall kann die Bundeswehr auch zivile Objekte schützen. Wenn es zur „Erfüllung des Verteidigungsauftrags“ notwendig ist, kann sie außerdem den Verkehr regeln. (Art. 87 a Abs. 3) Der Spannungsfall ist eine Vorstufe des Verteidigungsfalls und muss vom Bundestag mit Zwei-Drittel-Mehrheit festgestellt werden.

Bei Gefahr für den Bestand oder die freiheitlich demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann die Bundeswehr zum Objektschutz, aber auch zur Bekämpfung „bewaffneter Aufständischer“ eingesetzt werden. Voraussetzung ist, dass Landespolizei und Bundesgrenzschutz überfordert sind. (Artikel 87 a Abs. 4) – Außerdem kann ein Land die Bundeswehr bei einer Naturkatastrophe oder einem besonders schweren Unglücksfall zur Hilfe anfordern. (Artikel 35 Absatz 2) Der Einsatz im brandenburgischen Oderbruch von 1997 ist das wohl bekannteste Beispiel hierfür. Nicht ausdrücklich im Grundgesetz geregelt sind Fälle „technischer Hilfe“. Hier wird die Bundeswehr etwa eingesetzt, um mit Wärmebildern aus der Luft Verbrechensopfer zu suchen oder Bahnstrecken vor einem Castor-Transport ebenfalls aus der Luft auf Hakenkrallen zu untersuchen. Nach Auffassung von Innen- und Justizministerium sind hier keine Grundrechte von Bürgern betroffen. Normale polizeiliche Maßnahmen können aber nicht als technische Hilfe oder allgemeine Amtshilfe (Art. 35 Absatz 1) ausgegeben werden. Wenn Bayern also die Bundeswehr für Maßnahmen des Objektschutzes anfordern würde, dann müsste auch Verteidigungsminister Scharping Nein sagen.

Hier setzt nun der Vorschlag der CSU an. Sie will die Bundeswehr auch dann im Innern einsetzen, wenn es um die Bewahrung der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ geht. Bisher konnte eine Landesregierung nur Polizeikräfte aus anderen Ländern oder den Bundesgrenzschutz anfordern.

Der CSU-Vorschlag würde stattdessen erlauben, bei angespannter Sicherheitslage auch Gebirgsjäger der Bundeswehr vor der bayerischen Staatskanzlei zu postieren. Neben dem Objektschutz soll die Bundeswehr außerdem bei „anderen polizeilichen Maßnahmen“ eingesetzt werden können, falls die Polizei überfordert ist und die Bundeswehr „zur Abwehr der Gefahr besonders geeignet ist“. An welche Maßnahmen die CSU hierbei denkt, hat sie nicht offengelegt. In Frage käme aber zum Beispiel die Räumung von besetzten Häusern oder die Durchsuchung größerer Areale. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit für eine solche Änderung dürfte im Bundestag aber kaum zu erreichen sein.

CHRISTIAN RATH