: Frauen sind die ersten Opfer der Islamisten
Der Kongress von Terre des femmes diskutiert die Lage der Frauen in islamischen Ländern und fordert ein Ende der Bombardements
„Nirgends auf der Welt werden Frauen so unterdrückt wie in Afghanistan“, konstatierte Sima Samar gleich zu Beginn. Die Leiterin zahlreicher Schulen und Krankenhäuser in Afghanistan war von Terre des femmes nach Berlin eingeladen worden. Der Kongress der Frauenrechtsorganisation anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens fand in der Friedrich-Ebert-Stiftung statt.
Eigentlich sollten die vielen von Terre des femmes unterstützten Projekte – etwa gegen Genitalverstümmelung, Frauenhandel und häusliche Gewalt – im Mittelpunkt der zweitägigen Konferenz stehen. Doch die aktuellen politischen Ereignisse machten dann doch Sima Samar und die anderen aus islamischen Ländern stammenden Frauen zu den Hauptakteurinnen der Tagung.
Schließlich sind Millionen Frauen im Iran, im Sudan, in Saudi-Arabien, Algerien und anderen Ländern die ersten Opfer der Gewalt islamischer Fundamentalisten gewesen: Sie wurden bei Säureattacken verunstaltet, vergewaltigt, gesteinigt oder gehängt. Es gebe aber auch, so eine iranische Vertreterin des Komitees gegen Steinigung, „eine breite Frauenbewegung in den islamischen Ländern“. Auch Sima Samar merkte an: „Ich bin stolz, eine Frau zu sein und als Frau gegen Gewalt in der Welt zu kämpfen.“ Wohlgemerkt die Gewalt auf beiden Seiten: Wenn die USA jetzt Afghanistan zerstörten, sei das „auch Terrorismus“.
Die UN- und Frauenaktivistin Charlotte Bunch aus New York zeigte sich ebenfalls überzeugt, dass die britisch-amerikanischen Bombardements gestoppt und statt der US-Regierung die UNO die Führung übernehmen müsse. „Die Arbeit für die Frauen- und Menschenrechte ist unsere Antwort auf den 11. September“, so Bunch in ihrem Vortrag. Der gegenwärtige Schrecken verdecke, dass die feministische Lobbyarbeit auf globaler Ebene in den letzten zwanzig Jahren ungeheure Erfolge aufzuweisen habe. „Die sexuelle Selbstbestimmung ist ein neues Thema im Weltdiskurs. Fast alle UN-Gremien thematisieren Gewalt gegen Frauen.“
Was aber heißt das konkret für Afghanistan? Zu befürchten ist laut Sima Samar, dass der geplante Neuanfang für das geschundene Land ohne die Einbeziehung der Frauen erfolgt. Auf UNO-Ebene, in Pakistan und anderswo werden derzeit hinter den Kulissen bereits die Mitglieder einer Interimsregierung ausgehandelt – ohne dass die afghanischen Frauen im Exil und Frauenorganisationen mit einbezogen werden. Der ehemalige afghanische König in Rom, der die Regierungsbildung moderieren will, ist bislang der Einzige, der öffentlich erklärt hat, in einem demokratisierten Afghanistan die Rechte der Frauen achten zu wollen.
Die 400 Teilnehmerinnen forderten deshalb am Ende des Kongresses in einer Resolution die internationale Gemeinschaft auf, ihre Unterstützung einer neuen afghanischen Regierung an die Teilhabe von Frauen und die Umsetzung der Frauenrechte zu knüpfen. In diesem Zusammenhang war außerdem zu erfahren, dass die beim Europaparlament angesiedelte European Women’s Lobby und die US-Organisation Equality Now noch für dieses Jahr ein Treffen afghanischer Frauen in Brüssel organisieren. UTE SCHEUB
Weitere Informationen unter: www.terre-des-femmes.de, www.worldwoman.net/Berlin, www.womenlobby.org
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