: Im Visier: Alle von 18 bis 31
Nordrhein-Westfalen raste(r)t aus: Meldeämter und Unis werden um die Daten aller volljährigen Männer unter 31 gebeten. Bremen macht Weg für Rasterfahndung frei
KÖLN taz ■ Bei den bundesdeutschen Studierendenvertretungen wächst der Widerstand gegen die Rasterfahndung. Nach mehreren Asten unterstützt jetzt auch der „freie zusammenschluss von studentInnenschaften“ (fzs), Studierende, die gegen die Überprüfung ihrer Daten klagen. Nach Angaben des fzs haben inzwischen Hochschüler in Münster, Siegen, Gießen, Duisburg und Essen Beschwerde eingelegt. Der studentische Dachverband, der nach eigenen Angaben 780.000 Hochschüler vertritt, fordert den sofortigen Stopp der Rasterfahndung und verlangt, dass die Betroffenen informiert und die erhobenen Daten gelöscht werden.
In einem Datenwust dürfte Nordrhein-Westfalen bei der Suche nach islamistischen Terroristen untergehen: Nach einem Beschluss des Düsseldorfer Amtsgerichts, der der taz vorliegt, sind die dortigen Hochschulen dazu verpflichtet, die Daten aller männlichen Studierenden herauszugeben, die zwischen dem 1.10.1960 und dem 1.10.1983 geboren worden sind und zwischen dem 1.1.1996 und dem 1.10.2001 immatrikuliert waren – und zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Die Einwohnermeldeämter wurden zusätzlich zur Herausgabe der Daten sämtlicher 18- bis 31-jähriger männlicher Einwohner Nordrhein-Westfalens gebeten. Zu den angeforderten Daten gehören Geburtsland, Staatsangehörigkeit und Religion.
Letztere Information dürfte allerdings von den Hochschulen nur schwer zu erbringen sein: Die Religionszugehörigkeit wird bei der Immatrikulation überhaupt nicht angegeben. „Das Raster ist dermaßen grob, dass ich gehörige Zweifel an der Wirksamkeit habe“, kritisierte denn auch Monika Düker, innenpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion. Die Grünen würden penibel darauf achten, dass die Datenschutzbestimmungen eingehalten werden. „Wir müssen bei den ausländischen Studenten Schadensbegrenzung betreiben“, so Düker zur taz. Ihre Fraktion hat die Landesregierung darüber hinaus um eine detaillierte Aufklärung über die geplanten Maßnahmen gebeten. Es dürfe nicht zu pauschalen Verdächtigungen ausländischer Wissenschaftler kommen, sagte der Grünen-Abgeordnete Thomas Rommelspacher. Er hat eine entsprechende Anfrage an den Wissenschafts- und Forschungsausschuss des Landtags gestellt. Sein Parteifreund Wilhelm Achelpöhler geht noch einen Schritt weiter. Der Sprecher der Münsteraner Grünen vertritt als Rechtsanwalt einen an der Fachhochschule Münster studierenden Deutschen jordanischer Herkunft, der Beschwerde gegen die Rasterfahndung eingelegt hat (die taz berichtete). Achelpöhler sieht in der Übermittlung der Daten einen „Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung“.
Nach Angaben der Landesrektorenkonferenz stehen auch die Hochschulleiter den Maßnahmen „distanziert“ gegenüber. Man unternähme ausschließlich, wozu man gesetzlich verpflichtet sei, betonte der Vorsitzende der Fachhochschul-Rektorenkonferenz Nordrhein-Westfalen, Joachim Metzner.
In Bremen, wo wie auch in Niedersachsen und Schleswig-Holstein bisher die gesetzlichen Grundlagen für die Rasterfahndung fehlten, stimmte der SPD/CDU-Senat gestern einer entsprechenden Gesetzesänderung zu. Deutschland dürfe „nicht länger als Ruheraum für Terroristen dienen“, erklärte Bremens Innensenator Kuno Böse (CDU). Die Bürgerschaft muss in der kommenden Woche über den Beschluss abstimmen. Auch in Niedersachsen und Schleswig-Holstein wird bald mit einer Gesetzesänderung gerechnet. In Schleswig-Holstein allerdings wird die Rasterfahndung vermutlich nur befristet bis 2005 eingeführt. PASCAL BEUCKER
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