: „Vielleicht braucht uns die SPD“
Der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele plädiert für ein linkes Dreierbündnis in Berlin, wenn die Sozialdemokraten Rot-Rot nicht alleine verantworten wollen. Eine Ampelkoalition lehnt er aus inhaltlichen Gründen ab
taz: Die Grünen können in einer Ampel mitregieren. Sollen Sie?
Christian Ströbele: Eine Ampel ist äußerst unwahrscheinlich, nicht nur weil sie sehr fragil wäre und die Mehrheit zu knapp. Vor allem politisch-inhaltliche Gründe sprechen gegen eine Ampel: Die FDP ist in Berlin eine Auto-Lobby-Partei. Sie ist in ihrer Gesamtheit rechtslastig, nicht nur zwei oder drei Abgeordnete.
Die andere Möglichkeit in Berlin ist Rot-Rot.
Ursache für den Erfolg der PDS ist auch die von den Grünen mitverantwortete Bundespolitik, speziell die Zustimmung zum Kriegseinsatz in Afghanistan. Die PDS hat im Ostteil Berlins die absolute Mehrheit der Mandate gewonnen und im Westen eine Stärke erreicht, die in etwa der Stärke der Grünen in Schleswig-Holstein entspricht. Das spricht dafür, dass sie bei der Regierungsbildung zu berücksichtigen ist.
Also Grüne in die Opposition?
Da wir rechnerisch nicht gebraucht werden, scheint es auf den ersten Blick nicht richtig zu sein, bei Rot-Rot mitzumachen. Wenn wir aber sehr heftig politisch gebraucht werden, sollten wir uns das überlegen.
Was heißt „politisch gebraucht“?
Vielleicht kann die SPD ein Linksbündnis ja landespolitisch, bundespolitisch und weltpolitisch alleine nicht verantworten. Dann sollten die Grünen eine Beteiligung sehr ernsthaft erwägen. Anders als mit der FDP gäbe es bei Rot-Rot-Grün inhaltlich-programmatisch eine ganze Reihe von Schnittstellen: in der Verkehrspolitik, bei der Flüchtlings- und Innenpolitik, in der Korruptionsbekämpfung.
Kann man in einem Senat überhaupt Politik machen, wenn man für die Senatsmehrheit nicht gebraucht wird?
Natürlich ist das fehlende Drohpotenzial ein erhebliches Handicap. Aber dieses könnte kompensiert werden, wenn die SPD sagt: Wir brauchen euch, alleine können wir es mit der PDS nicht machen.
Im Wahlkampf haben führende Grüne ausgeschlossen im fraglichen Falle in eine rot-rot-grüne Regierung zu gehen.
Das waren in Interviews geäußerte Meinungen. Die Partei hat gestern beschlossen: Auch Rot-Rot-Grün wird ausgelotet und diskutiert.
Wolfgang Wieland bleibt bei seiner Meinung und will bei Rot-Rot-Grün nicht Senator bleiben.
Seine Gründe treffen zu. Aber es gäbe genauso wichtige Aufgaben für ihn in der Fraktion, wenn es beim Nein bleibt.
INTERVIEW: ROBIN ALEXANDER
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