: Neuwahlen möglich
Wenn der Kanzler das Vertrauen des Parlaments verliert, bietet die Verfassung eine ganze Reihe von Optionen
Ob ein Kanzler die Vertrauensfrage stellt, kann nur er selbst entscheiden. Er benötigt hierfür nicht die Zustimmung des Bundeskabinetts. Er kann den Antrag auf eine Vertrauensabstimmung mit einer Sachfrage verbinden, muss es aber nicht. Im vorliegenden Fall hat Kanzler Schröder die Vertrauensfrage mit der Abstimmung über Bundeswehreinsätze im Anti-Terror-Kampf verbunden.
Deshalb gibt es morgen im Bundestag nur einen Abstimmungsgang. Wer dem Kanzler das Vertrauen aussprechen will, muss auch den Bundeswehreinsätzen zustimmen. Es wird namentlich abgestimmt. Die Öffentlichkeit erfährt also, wie jeder einzelne Abgeordnete votiert hat. Erforderlich ist die absolute Mehrheit der Stimmen. Bei derzeit 666 Abgeordneten braucht Schröder also 334 Ja-Stimmen. SPD und Grüne verfügen im Bundestag über 341 Mandate.
Verliert Schröder die Abstimmung, hat er vier Optionen:
■ Er kann einfach mit Rot-Grün weiterregieren. Er wäre dann aber angeschlagen.
■ Er kann eine neue Koalition eingehen, indem er die Minister der Grünen entlässt und zum Beispiel Minister der FDP ernennt.
■ Er kann zurücktreten, worauf der Bundestag einen neuen Kanzler wählen müsste. Auch Schröder selbst könnte mit rot-grüner oder anderer Mehrheit erneut gewählt werden.
■ Er kann beim Bundespräsidenten die Auflösung des Bundestags und damit Neuwahlen beantragen. Nur wenn Schröder dies beantragt, kann Bundespräsident Johannes Rau binnen 21 Tagen den Bundestag auflösen und Neuwahlen anordnen. Der Bundespräsident ist hierzu aber nicht verpflichtet. Nach einer Auflösung des Parlaments durch den Bundespräsidenten müsste binnen 60 Tagen eine neue Bundestagswahl stattfinden.
Bei einer gescheiterten Vertrauensabstimmung wäre – wegen der vom Kanzler vorgenommenen inhaltlichen Verbindung – auch der Regierungsantrag auf Bereitstellung der Bundeswehr abgelehnt. Da dieser jedoch in der Sache eine Mehrheit des Parlaments hinter sich hat, könnte er später erneut eingebracht und mit den Stimmen von CDU/CSU, FDP und der Mehrheit der rot-grünen Abgeordneten verabschiedet werden. CHRISTIAN RATH
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