„Verletzt und im Stich gelassen“

■ Beginenhof: Zukunft unklar / Initiatorin plant schon den nächsten

Gestern war die letzte Gelegenheit für alle Gläubiger, ihre Forderungen gegenüber dem Bremer Beginenhof anzumelden. Jetzt entscheidet der Insolvenzverwalter. Auf etwas mehr als 30 Millionen Mark belaufen sich die Schulden der Beginenhof-Genossenschaft, der Trägerin des Frauen-Wohnprojekts am Kirchweg – dem steht knapp eine Million Mark an Genossenschaftsanteilen gegenüber. Die Verwaltung des gesamten Komplexes hat die Gewoba übernommen – zuvor hatte sie bereits die Eigentumswohnungen im Kirchweg betreut. Insolvenzverwalter Detlef Stürmann hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das den Wert des Beginenhofs ermitteln soll. Dann wird über dessen Zukunft entschieden. Noch scheint das Frauenkonzept Bestand zu haben: „Die Vermietung nur an Frauen scheint im Moment wirtschaftlich tragbar zu sein“, sagt Stürmanns Mitarbeiter Oliver Liersch vorsichtig. Auch Thomas Grabley von der Gewoba bestätigt die rege Frauen-Nachfrage. Die Gewerbeflächen im Erdgeschoss – viele Läden stehen noch leer – seien hingegen „das Sorgenkind“, so Grabley. Von der Idee, auch hier nur an Frauen zu vermieten, hatten sich die Beginen schon verabschiedet, als das Objekt noch unter ihrer eigenen Regie war.

Die Stimmung in den darüber liegenden Stockwerken ist gedrückt. Viele Frauen haben hier Genossenschaftsanteile gekauft, manche in Höhe von 40.000 Mark, und werden ihr Geld wohl kaum wiedersehen. Andere Frauen haben der Genossenschaft kreditähnliche Zuschüsse gegeben, jeweils in Höhe von 100.000 Mark. Was aus diesem Geld geworden ist, bleibt noch aufzuklären. Dennoch gab es von den Frauen im Beginenhof in den Wochen des finanziellen Niedergangs keine lauten Proteste, keine öffentliche Kritik an den zwei Vorstandsfrauen der Genossenschaft, an Vordenkerin Erika Riemer-Noltenius und an Finanzfachfrau Elke Schmidt-Prestin. „Die Frauen hier sind sehr leidensfähig“, sagt Sieglinde Winarski. Sie wohnt im Beginenhof und gibt dort auch Yogakurse. „Verletzt und im Stich gelassen“, fühlten sich die Frauen, das sei deutlich zu spüren. Gerade formiert sich der „Beginenhofrat“, eine Interessenvertretung der Bewohnerinnen.

Derweil denkt Erika Riemer-Noltenius bereits an den nächsten Beginenhof für Bremen. „Mindestens einen, wahrscheinlich zwei wird es noch geben“, sagt sie. Für den allerersten muss sie jedoch erstmal ihr Elternhaus verkaufen. Denn als Genossenschaftsvorstand haftet sie mit 200.000 Mark im Konkursfall. Dann will sie in die letzte noch freie kleine Wohnung im Beginenhof ziehen. „Die großen kann ich mir nicht leisten.“ Dennoch sagt sie: „Es hat sich gelohnt. Die Frauen leben das Leben, das sie sich erträumt haben.“ Riemer-Noltenius wünscht sich eine Beginenstiftung, die das Objekt in der Neustadt zurückkaufen kann.

Elke Schmidt-Prestin, die ebenfalls mit 200.000 Mark haftet, ist hingegen bedient. Sehr viel Lehrgeld habe sie bezahlt, einen neuen Versuch werde sie nicht mehr machen. Aber: „Das Projekt steht, das ist das Wichtigste.“

Die Beginenhof-Bewohnerinnen sind verwirrt. Zwar folgen sie der Argumentation des Vorstands, das Ausbleiben von vier Millionen Mark versprochener Fördergelder hätten den Ruin gebracht. Dennoch stellen sie jetzt fest, dass in der Genossenschaft vieles schief gelaufen ist. „Wichtigtuerei, Machtgeilheit, Dummheit“, hat Begine Winarski beim Vorstand ausgemacht. Doch sie hofft auf die Zukunft: „Das Zusammenleben läuft hier genauso, wie wir es uns vorgestellt haben. Vielleicht sogar noch besser.“ Die aus München Zugereiste würde ungern gehen: „Ich habe hier jetzt Wurzeln, ob ich will oder nicht.“

Susanne Gieffers