: Jetzt reden endlich die Afghanen
Bei der Geberkonferenz der Weltbank in Islamabad geben nicht die Vertreter der internationalen Hilfsorganisationen, sondern lokale NGOs den Ton an
aus Islamabad BERNARD IMHASLY
Nicht nur die Welt hat Afghanistan wieder entdeckt. Auch die Hilfsorganisationen, die seit Jahren im Land engagiert sind und am Dienstag in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad zu einer dreitägigen „Konferenz über den Wiederaufbau von Afghanistan“ zusammengekommen sind, tun es auf ihre Weise. Der Leiter eines europäischen Hilfsprogramms, meinte, es sei das erste Mal, dass die Afghanen in einer Konferenz den Ton angäben. „Normalerweise sind es wir Experten, die Rat geben, während unsere Freunde zuhören. Diesmal sind sie es, die reden: Vertreter von NGOs, afghanische Mitarbeiterinnen internationaler Organisationen, Lehrer, die in der großen exilafghanischen Gemeinde tätig sind.“
Die Organisatoren – unter anderem Weltbank und Asiatische Entwicklungsbank – stellen bei der Konferenz bewusst die Zivilgesellschaft in den Vordergrund, um nicht in eine neue Falle der Erzeugung von Abhängigkeit zu tappen. „Es wäre eine Anmaßung, den Aufbau Afghanistans in die Hand zu nehmen, ohne auf den Souverän, das afghanische Volk, zu hören“, sagte Gastgeberin Mieko Nishimuzu, die Weltbank-Verantwortliche für Südasien.
Dies sind für die Weltbank neue Töne, und sie hat sich Mühe gegeben, den Konferenzablauf entsprechend zu gestalten. Der Schwerpunkt lag bei Debatten über die Probleme Erziehung, Gesundheit, Infrastruktur, Wasser, und natürlich stand auch die Lage der Frauen in Afghanistan im Mittelpunkt. Nach Ansicht eines europäischen Konfernezteilnehmers hat sich gerade in den Nachbarländern Afghanistans mit ihren Millionen von Flüchtlingen im Lauf von zwanzig Jahren Bürgerkrieg „afghanisches Know-how für verzweifelte Situationen entwickelt, das nun eine kostbare Ressource darstellt, wenn es darum geht, den Wiederaufbau in Angriff zu nehmen“.
Viele anwesende Afghanen brennen darauf, in ihre Heimat zurückzukehren. „Ich würde morgen gehen“, sagte etwa Daud Rawosh, der in den letzten 15 Jahren in Islamabad ein Netz von Schulen für Afghanen aufgebaute. Sein erstes Ziel sind Lehrerausbildungsstätten, von denen es in Afghanistan keine einzige mehr gibt. Rawosh wurde unterstützt von Rahela Hashim, die für die UN-Habitat-Organisation tätig ist und auf der Konferenz dafür plädierte, kurzfristige Prioritäten wie Beschäftigung für Frauen oder Wohnungsnot mit langfristigen Wiederaufbauzielen zu verbinden. „Die Regierung muss damit beginnen, Wohnungen und Schulen zu bauen, das gibt Beschäftigung für Lehrerinnen, es schafft Wohnraum, es erlaubt Kindern, in die Schule zu gehen.“
Weder Rawosh noch Hashim noch Abdul Rahim vom „Norwegian Afghan Committee“ zögern, ihre Dienste dem Staat anzutragen, auch wenn sie gut bezahlte Jobs mit der Anstellung unter einer Regierung vertauschen würden, die sich vor allem auf Kriegführung versteht.
Die Frage der Bildung einer stabilen Regierung, die in Bonn bei der Afghanistankonferenz der UNO verhandelt wird, beherrscht im Hintergrund auch die Gespräche in Islamabad. Alle Teilnehmer sind sich einig, dass die vielen Gespräche, die zu einem enormen Hilfsprogramm von Milliarden von Dollars führen sollen, hinfällig sein werden, wenn es in Bonn nicht gelingt, die Grundlagen für eine staatliche Struktur zu schaffen. Allerdings ist sich die Konferenz bewusst, dass die Politiker in Königswinter nur den politischen Konsens schaffen können. Für den Aufbau von Verwaltungsstrukturen und Sicherheitsdiensten, eines Schul- und Justizsystems müssen die Fundamente in Islamabad und den Folgekonferenzen in Deutschland und Japan gelegt werden.
Dass es dabei auch um viel Geld geht, wurde bei den Gesprächen im Konferenzsaal des „Islamabad Marriott“ diskret übergangen. Die Weltbank, die sich 20 Jahre kaum um Afghanistan gekümmert hat, meldet nun Führungsanspruch an. Sie präsentierte den Plan eines „Trust Fund“, der die Verteilung der Spenden organisieren soll. Es bedürfe, heißt es im Weltbank-Papier, einer „Organisation, welche die Fähigkeit hat, professionelle Inputs zur Formulierung von Hilfsstrategien, Projektevaluation und Finanzmanagament zu leisten“.
Die NGOs und die Geberländer stehen diesem Übernahmeversuch distanziert gegenüber. Er würde auch dem Aufruf von Welbank-Direktorin Nishimuzu widersprechen, „auf die Stimmen aus Afghanistan zu hören“.
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