: Weitervermitteln um jeden Preis
Durch die Anschlagserie von radikalen Palästinensern in Israel wird die Vermittlerrolle der USA im Nahostkonflikt schwieriger. Doch dürften gerade die jüngsten Ereignisse für Washington ein Ansporn sein, verstärkten Druck auf Israelis und Palästinenser auszuüben
JERUSALEM taz ■ Kurz nachdem US-Vermittler Anthony Zinni seinen Fuß auf nahöstlichen Boden gesetzt hatte, wurde deutlich, dass die Gegner politischer Lösungen nun das Sagen haben werden. Während Zinni Israelis und Palästinenser von der Notwendigkeit eines augenblicklichen Waffenstillstandes zu überzeugen versuchte, um Vertrauen bildende Gesten im Sinne der Mitchell- und Tennet-Empfehlungen und politische Verhandlungen einleiten zu können, bombten und schossen palästinensische Extremisten verstärkt in israelischen Städten.
Sie haben sehr unterschiedliche Motivationen für ihre selbstmörderische Entschlossenheit: die Israelis „weichzuklopfen“, bis sie Premierminister Ariel Scharon um Aufgabe der Besatzung geradezu anflehen (bisher passiert genau das Gegenteil), fundamentalistisch-islamische Versprechungen über direkten Zugang ins Paradies plus finanzielle Entschädigung für ihre darbenden Familien, Vergeltung für gezielte Liquidierungen von Idolen der islamischen Organisationen und Rache für Erniedrigungen durch Siedler und Soldaten im Besatzungsalltag. Überdies besteht der Wunsch, ihren Widersacher Jassir Arafat politisch zu blamieren und kaltzustellen, um später seine Nachfolge anzutreten.
Augenblicklich konnten israelische Hardliner im Gegenzug darauf hinweisen, dass Palästinenserchef Arafat als Partner passé sei, da er den Terror weder kontrollieren könne noch wolle. Während in Israel die Volksseele kocht und die unter Abriegelung und Belagerung leidende palästinensische Bevölkerung vor harten Vergeltungsmaßnahmen zittert, hat Premierminister Scharon gestern Abend Gelegenheit gehabt, die aktuellen Ansichten von US-Präsident George W. Bush zur Bekämpfung wachsenden Terrors in Nahost aus erster Hand entgegenzunehmen.
Welchen Einfluss die Amerikaner auf Scharon und Arafat auszuüben vermögen, werden die kommenden Tage zeigen. Scharon hatte sich auf den Standpunkt versteift, von der Forderung nach sieben Tagen Waffenruhe nicht abrücken zu können. Sein Mangel an Flexibilität wurde auch durch die Drohung der Rechtsaußen-Mitglieder seiner Koalition gespeist, den Regierungsbund im Falle von Nachgeben gegenüber amerikanischem Druck ins Wanken zu bringen.
Obwohl die Amerikaner betroffen zu sein scheinen von der Intensität des Terrors gegen israelische Zivilisten, dürften sie einen kühleren Kopf behalten als die Betroffenen. Für die Amerikaner ist Arafat noch lange kein Bin Laden. Sie reden mit ihm und appellieren an sein Kontrollpotenzial. Die USA befinden sich derzeit auf der Höhe ihrer Bemühungen, eine Strategie zu formulieren, die ihre Erfolge in Afghanistan durch Drosselung von religiösem und nationalistischem Extremismus in muslimischen und arabischen Staaten konsolidiert.
Deshalb ist anzunehmen, dass Bush die Flinte auch in Nahost nicht ins Korn wirft. Dass gerade die erhöhte Terrorwelle ihn anspornt, verstärkten Druck auf Palästinenser und Israelis auszuüben. Das müsste bewirken, dass Arafat umgehend effektive Handlungen demonstriert, während Israel sich militärisch zurückhält und augenblickliche Gesprächsbereitschaft meldet. Das wird indes nur möglich sein, wenn beide Seiten einsehen, dass ein Zerwürfnis mit den USA für sie gefährlicher ist als Auseinandersetzungen mit den diversen internen Kontrahenten. ANNE PONGER
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