: „Manche Dinge können wir nicht ändern“
Die afghanische Juristin Mahbuba Hoquqmal über Politik und Pragmatismus: „Eine Loja Dschirga ist ein guter Weg.Auch wenn nicht viele Frauen dabei sind, ist es zumindest ein Anfang. Man kann dort die Politik beeinflussen“
taz: Worum ging es für Sie bei der Konferenz?
Hoquqmal: Ich bin hierher gekommen, um einen Beitrag für den Wiederaufbau Afghanistans zu leisten. Es war der erste Schritt. Ich hoffe, wir kommen weiter.
Viele Afghanen in Deutschland meinen, die Warlords gehörten vor Gericht und nicht noch durch Verhandlungen wie die auf dem Petersberg belohnt für ihre Taten. Was halten Sie davon?
Diese Leute sollten sich an die Erfahrungen der Vergangenheit erinnern. Sie haben unser Land zerstört. Jetzt haben sie eine neue Gelegenheit, die sollten sie ergreifen. Es können aber nur solche Leute Afghanistan aufbauen, die das Vertrauen ihre Volkes bekommen. Man muss da ganz genau hinschauen. Man darf nicht ohne weiteres auf die Leute zählen, die jahrelang mit der Waffe in der Hand gekämpft und viele Leute getötet haben. Von denen ist für die Zukunft nicht viel zu erwarten.
Es heißt immer wieder, dass beim Wiederaufbau Afghanistans auf die Traditionen Rücksicht genommen werden muss. Heißt dieses Argument nicht letztendlich, dass man nichts verändern kann, dass also Frauen weiterhin die Burka tragen?
Erst der Krieg hat diese Dinge mit sich gebracht. Vor dem Krieg trugen nur die Frauen den Schleier, die das selber wollten. Erst in den letzten Jahren wurden die Frauen gezwungen, einen Schleier zu tragen.
Die meisten Afghanen in Afghanistan selbst scheinen einen islamischen Staat zu wollen. Wäre ein säkulares System nicht vorstellbar?
Religion und Politik sind unterschiedliche Dinge. Die gebildeten Schichten Afghanistans wissen das. Ich persönlich würde einen säkularen Staat vorziehen, für die Frauen wäre das viel besser. Aber ein Großteil der Afghanen sind Analphabeten und sehr religiös. Deshalb können wir manche Dinge nicht ändern. Zuerst muss das Land wieder aufgebaut werden.
Sie waren eine der wenigen Frauen, die in den 60er- und 70er-Jahren an Loja Dschirgas teilgenommen haben. Meinen Sie, dass die Einberufung einer Loja Dschirga noch heute ein angemessener Weg ist, um Entscheidungen zu fällen?
Ja, das ist ein guter Weg. Und auch wenn nicht viele Frauen darin sitzen, ist es zumindest ein Anfang. Ich habe mich damals für die Belange der Frauen eingesetzt. Man kann die Politik dort beeinflussen.
Der weibliche Bevölkerungsanteil in Afghanistans beträgt zurzeit mehr als 60 Prozent. Sollte nicht eine dementsprechende Quote für Frauen in politischen Gremien eingerichtet werden?
(lacht) Fünfzig Prozent Frauen, das wäre eine schöne Sache. Aber das lässt sich nicht durchsetzen.
Interview: ANTJE BAUER
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