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Schwimmen ist politisch

Was das Platzen der Ampel mit der Erkrankung eines Bademeisters zu tun hat. Warum bei der PDS im Senat alles anders wird. Und warum man, wenn überhaupt, gleich richtig privatisieren soll

von UWE RADA

Vielleicht war es ja ein Zeichen.

Montagabend, Punkt 20.30 Uhr. Die Unterhändler von SPD, FDP und Grünen haben sich gerade zu ihrer abendlichen Koalitionsrunde getroffen, da trifft eine andere Gruppe am Eingang der Olympiaschwimmhalle Landsberger Allee auf einen Aushang: „Schwimmhalle aus personellen Gründen geschlossen“. Nachfragen ergeben, dass sich der Schwimmeister unvorhergesehen krankgemeldet habe und ein anderer nicht mehr aufzutreiben war.

Der Wach-Sheriff grinst.

An der Kasse bricht eine Mitarbeiterin der Bäderbetriebe in Schluchzen aus.

Zwei Stunden später war die Ampel geplatzt.

Es muss ein Zeichen gewesen sein. „Wäre das mit der PDS im Senat auch passiert?“, ruft einer, allerdings nicht in Hörweite zur Kasse, man nimmt schließlich Rücksicht auf belastete Mitarbeiterinnen. „Und diese Stadt will sich wieder für Olympia bewerben? Was wäre, wenn die Endkämpfe in der Viermaltausendmeterstaffel anstehen, ein Berliner auf Goldkurs schwimmt, und dann – der Bademeister . . . Nicht auszudenken! Eine Krankmeldung statt Gold. Wie tief kann man noch sinken als Metropole.“

Zur Erinnerung. Die „Schwimm- und Sprunghalle im Europazentrum“ (SSE) ist neben dem benachbarten Velodrom und der Max-Schmeling-Halle eine von drei Hallen, die die Konkursmasse der 1993 gescheiterten Olympiabewerbung bilden. Konkursmasse deshalb, weil der Senat diese Hallen für 800 Millionen auch ohne olympische Weihen weiterbauen ließ. Und hinterher den Bäderbetrieben Millionenbeträge an Betriebskosten zuschanzte, damit überhaupt einer die Hallen betreibe.

Ein Zeichen, ja. Nur welches?

Vielleicht kann Klaus Schulze weiterhelfen. Klaus Schulze ist Regionalleiter der Berliner Bäderbetriebe (BBB) und als solcher zuständig für die SSE. Zunächst klärt Klaus Schulze auf, sagt, dass nicht nur der Bademeister krank war, sondern gleich vier Mitarbeiter. Zwei von ihnen schon länger, zwei ganz kurzfristig. „Die Krankmeldung ging um 13.45 Uhr ein.“ Weil aber für den Bäderbetrieb mindestens drei Mitarbeiter gebraucht werden, habe man um 14.30 Uhr die Olympiahalle schließen müssen. „Ich hab noch versucht, Ersatz zu finden, umsonst“, sagt Schulze. „Das hat mich hart getroffen.

Dann sagt Schulze etwas, das lässt aufhorchen. Noch nie, sagt er, sei etwas Ähnliches passiert. Dass der Krankenstand im Winter hoch sei, geschenkt. „Aber eine Schwimmhalle schließen müssen? Nein!“

Eine Premiere also. Oder gar eine Drohung? „Seht her, so ist das, wenn man Bäder schließt.“ Aber wäre die Kassiererin dann in Schluchzen ausgebrochen?

Oder waren es viel mehr die Spätfolgen einer Privatisierung? Da wird aus einer Anstalt öffentlichen Rechts eine GmbH, der man nach und nach die Zuschüsse streicht, und die man dann auch noch als Verhandlungsmasse für Koalitionsverhandlungen missbraucht. Vielleicht waren die Ereignisse am Montag nur nur ein Vorgeschmack auf eine bäderlose Zukunft?

Eigentlich, so muss man das Zeichen wohl deuten, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder man privatisiert nicht halbherzig, sondern gleich richtig. Dann muss Klaus Schulze nicht mehr den Betroffenen markieren und keine Mitarbeiterin mehr in Tränen ausbrechen. Dann sind alle so glücklich und gut drauf wie die Mitarbeiter der privaten Wachschutzfirma, die den verdutzten Badegästen immer wieder grinsend mitteilen, dass das Bad geschlossen sei.

Oder aber man gibt den Bäderbetrieben mehr Geld, damit sie sich künftig auch, sagen wir mal pro Regionalleiter, einen Zusatzbademeister leisten können. Was mit der Ampel nie zu machen gewesen wäre, könnte mit der PDS ja klappen. Wer die Probe aufs Exempel machen will, treffe sich am Abend der letzten rot-roten Koalitionsrunde um 20.30 Uhr in der Landsberger Allee.

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