piwik no script img

Israel bombt die Palästinenser wieder hinter ihren Präsidenten

Die Raketen auf Arafats Hauptquartier könnten ihm mehr nutzen als schaden – einen Verlust der Galionsfigur mögen nicht einmal seine palästinensischen Gegner riskieren

BERLIN/RAMALLAH taz ■ Wird die israelische Armee die palästinensische Autonomiebehörde zerschlagen? Hat Ariel Scharon die Ermordung des palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat bereits angeordnet? Mit Verunsicherung reagieren die Palästinenser auf die Vergeltungsschläge der israelischen Regierung auf Einrichtungen der palästinensischen Autonomiebehörde. Alles scheint nun denkbar.

Zwar gehören Luftangriffe schon länger zum Vergeltungsrepertoire der israelischen Armee. Doch die martialische Entschlossenheit des israelischen Premierministers Scharon nährt die Angst der Palästinenser, ihr Traum vom unabhängigen Staat Palästina könnte schon bald unter den Trümmern begraben werden.

„Ariel Scharon sprach gestern von einem Krieg, den er führen will“, sagt Mustafa Bargouthi, Leiter der palästinensischen Gesundheitsdienste. „Sein Ziel besteht darin, einen palästinensischen Staat zu verhindern. Jetzt hat er mit der Zerstörung all unserer Einrichtungen begonnen.“

Bislang starben zwei Palästinenser durch die israelischen Bombardements. Über 120 Menschen wurden verletzt, darunter 60 Schulkinder in Gaza. Und nur wenige Meter neben Büro und Privatresidenz des palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat schlugen gestern und vorgestern Granaten ein.

Ghassan Khatteb, Leiter des Jerusalem Media and Communications Centre (JMCC), hält diese Angriffe auf Arafat allerdings für symbolisch: „Wenn Scharon Arafat töten wollte, hätte er es gestern schon getan. Die Granaten sind ein Versuch, Arafat einzuschüchtern, genauso wie die israelischen Diskussionen um potenzielle Nachfolger. So soll seine Regierung destabilisiert werden.“

Die Attacken auf den palästinensischen Präsidenten dürften indessen den entgegengesetzten Effekt haben. Arafats Beliebtheit befand sich noch vor wenigen Wochen auf ihrem absoluten Tiefpunkt. Nur noch 25 Prozent der Palästinenser unterstützten seine Politik. „Jetzt dürfte dieser Wert wieder deutlich steigen“, vermutet Khateeb.

Der von israelischen Medien jüngst als Nachfolger ins Spiel gebrachte Gibriel Rajoub, ein Sicherheitsdienstchef Arafats, genießt in den palästinensischen Gebieten ohnehin keinerlei Rückhalt. „Wir würden uns niemals von einem Kollaborateur regieren lassen“, sagt Mustafa Bargouthi. Gibriel hatte vor kurzem ein Anti-Terror-Maßnahmenpaket vorgeschlagen und gilt in Israel seitdem als gemäßigt. In Palästina ist er wegen seiner Spitzel äußerst unbeliebt.

Indessen scheinen die Palästinenser zuversichtlich, dass es Ariel Scharon nicht gelingen wird, die Bekämpfung der radikalen Gruppen Hamas und Islamischer Dschihad zu einem Ziel der internationalen Anti-Terror-Allianz zu machen. „Die Amerikaner haben aufmerksam registriert, dass die Hamas nach dem 11. September auf weitere Anschläge verzichtet hat“, erklärt Ghassan Khateeb. „Daran hat sie sich auch gehalten – bis die israelische Armee am 25. November ihren hochrangigen Funktionär Abu Hanoud hinrichten ließ. Die Anschläge vom Wochenende waren die Vergeltung dafür.“ Nach den Anschlägen vom Wochenende hatte Arafat über 100 Aktivisten von Hamas und Dschihad Islami festsetzen lassen. Ariel Scharon erklärte dies jedoch für unzureichend.

Die Spekulationen, ob Arafat ins Exil geschickt oder getötet wird, halten unterdessen an. „Das wäre allerdings eine riesige Dummheit“, sagt Mustafa Bargouthi. „Dann wäre ein regionaler Krieg nicht zu verhindern.“

Einig sind sich palästinensische Autonomiebehörde wie unabhängige Beobachter zumindest darin, dass Vermittlungsgespräche zurzeit aussichtslos sind. YASSIN MUSHARBASH

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen