: Bund der Künstler
Der Jüdische Kulturbund vereinigte von 1933 bis 1941 Hunderte von jüdischen Künstlern, die unter den Nazis keine Anstellung oder Auftrittschance mehr hatten. Zu ihnen gehörte etwa der berühmte Tenor Joseph Schmidt (1904–1942). Viele Stars wanderten aus, unzählige wurden in KZs ermordet.
Kulturbundheroen waren beispielsweise: Dorothea „Dora“ Gerson, geboren 1899 in Berlin, wurde schon nach wenigen Monaten an der Reinhardt-Schule für die Volksbühne engagiert. 1926 heiratete sie ihren Schauspielkollegen Veit Harlan, den späteren „Jud Süß“-Regisseur (zehn Jahre später wurden sie geschieden). Seit 1922 trat sie in Berliner Kabaretts auf, etwa in Werner Fincks „Katakombe“. Mit ihrer Familie versuchte sie 1942 aus ihrem Exil in den Niederlanden nach deren Besetzung durch die Wehrmacht zu fliehen. Sie wurde gefasst, erst ins Durchgangslager Drancy bei Paris, dann nach Auschwitz gebracht, wo sie am 14. Februar 1943 ermordet wurde.
Die 1909 in Polen geborene Migno „Marion“ Koegel wurde schon bei ihrem Debüt Ende Dezember 1933 als „eine der begabtesten Kabarettistinnen des Nachwuchses“ gefeiert. Um die Jahreswende 1937/38 konnte sie mit ihrem Mann und musikalischen Begleiter Werner Seelig-Bass in die USA emigrieren. Ihr blieb dort größerer Erfolg versagt, ihr Mann machte als Musikpädagoge Karriere. Zweimal wurde er als „hervorragender Erzieher Amerikas“ ausgezeichnet.
Der Sänger und (Film-)Komponist Willy Rosen (geboren 1894) hatte viel Erfolg mit Schlagern. Der Hauskomponist des „Kabaretts der Komiker“ wurde musikalischer Leiter der Kleinkunstbühne des Kulturbundes. Im April 1939 emigrierte Rosen in die Niederlande, trat dort in Kabaretts auf, später gar in einem Ensemble des Lagers Westerbork. Er starb am 1. Oktober 1943 in Auschwitz.
Paula Lindberg (1897–2000), galt seinerzeit als eine der bedeutendsten deutschen Konzertaltistinnen. Sie überzeugte auf internationalen Bühnen unter Dirigenten wie Furtwängler und Toscanini. Ihr gelang die Flucht in die Niederlande, wo sie untertauchen konnte. Nach 1945 wirkte sie als Gesangspädagogin. An ihrem neunzigsten Geburtstag wurde an der Berliner Hochschule der Künste ein Gesangswettbewerb etabliert, der ihren Namen trägt.
Mordechai Roth, 1902 in der Niederlausitz geboren, emigrierte 1920 nach Palästina. Nach 1930 war er immer wieder in Berlin, bekannt wurde er durch seinen Vortrag hebräischer, zionistischer Lieder. In Israel profilierte er sich als Sänger und Gesangslehrer. Lange Jahre war er Präsident des Interessenverbandes der israelischen Künstler. Roth starb 1986 in Tel Aviv.
Ferris Gondosch war der wichtigste Sänger der „Sid Kay’s Fellows“, die viele Kulturbundkünstler begleiteten. Gondosch wurde 1938 aus Deutschland ausgewiesen. Nachdem er jahrelang von einem Land ins nächste geflohen war, wanderte Gondosch in die USA aus. In den Kriegsjahren war er in der US-Truppenbetreuung tätig. Anfang der Sechzigerjahre kehrte er nach Europa zurück und starb 1975 in der Nähe von Zürich. PHILIPP GESSLER
Vorbei . . . Beyond Recall. Dokumentation jüdischen Musiklebens in Berlin 1933–1938 (auf Deutsch und Englisch): Elf-CD-Box mit einer DVD-Diskette und einem gebundenen Buch, 516 Seiten, 480 Mark, bei Bear Family Records, Postfach 11 54, 27727 Hambergen, Fon (0 47 48) 82 16-0
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