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Nur noch 30 Jahre zahlen

Berlin muss jahrezehntelang für die Risiken aus dem Immobiliendesaster bei der Bankgesellschaft aufkommen, um den landeseigenen Konzern zu retten. Sibyll Klotz (Grüne): Horror ohne Alternative

von RICHARD ROTHER

Ein harmloses, positiv klingendes Wort war schnell gefunden: Risikoabschirmung. So nannte Finanzsenatorin Christaine Krajewski (SPD) gestern einen Vorgang, der den Landeshaushalt nachhaltig belasten und ihr noch manch Sorge bereiten wird. Bis zu 30 Jahre kann es nämlich dauern, bis die Stadt nicht mehr unter den möglichen Immobilienverlusten der Bankgesellschaft zu leiden hat.

Für diese Risiken übernahm der rot-grüne Interimssenat gestern offiziell die finanzielle Verantwortung, um den maroden Bankkonzern zu sanieren. Ende Januar muss das Sanierungskonzept, das auch erhebliche Einsparungen beim Personal vorsieht, bei der Europäischen Union vorgelegt werden.

Das Land hält mehr als 80 Prozent der Anteile an der Bank, die es verkaufen will. Derzeit steht Berlin mit drei potenziellen Investoren über eine mögliche Übernahme der Bank im Kontakt, Entscheidungen sind in diesem Jahr allerdings nicht mehr zu erwarten. Keiner der Investoren jedoch wollte die Altlasten schultern. Das Abgeordnetenhaus muss der vom Senat beschlossenen Risikoübernahme im Januar noch zustimmen.

Die Grünen-Fraktionschefin Sybill Klotz nahm gestern kein Blatt vorm Mund. „Es ist der blanke Horror; hier geht es nicht um Millionen, sondern Milliarden – Euro, wohlgemerkt.“ Berlin werde noch Jahrzehnte unter der verfehlten Bankpolitik zu leiden haben. Eine Alternative habe es aber nicht gegeben. „Die Bank hätten wir sonst zum Jahresende dichtmachen können.“ Im Sommer musste das Land bereits mit einer Kapitalspritze in Milliardenhöhe einspringen, um den Konzern vor dem Ruin zu retten.

Die Risiken rühren vor allem aus Immobilienfonds mit Sonderkonditionen, die eine Laufzeit von bis zu 30 Jahren aufweisen. Die Bankgesellschaft, 1994 als Bankenflaggschiff der Hauptstadt gegründet, hatte solche Fonds vor allem in den Jahren zwischen 1995 und 2000 aufgelegt.

Der neue öffentlich-private Konzern wollte schnell wachsen, um im Konzert der großen deutschen Banken mitzuspielen. Dabei waren die Sonderkonditionen wie Miet- und Höchstpreisgarantien von der Konkurrenz immer wieder misstrauisch beäugt worden.

Der Markt allerdings entwickelte sich nicht so, wie es sich Berliner Banker in ihren Boom-Fantasien wünschten. Ostdeutsche Plattenbauten und Bürotürme stehen leer, die Mietpreise bleiben hinter den Erwartungen. Zwar realisieren auch andere Banken diese Verluste, die Bankgesellschaft hat sich aber vergleichsweise stark im Immobiliensektor engagiert. Die Zeche dafür zahlt nun die Allgemeinheit, während manchem Fondseigner Gewinne garantiert sind. Grünen-Fraktionschefin Klotz: „Karl-Eduard von Schnitzler hätte eine Steilvorlage für seinen Schwarzen Kanal gehabt.“

Wie hoch die Verluste tatsächlich sein werden, ist allerdings unklar. Möglicherweise kann das eine oder andere Objekt noch verkauft werden, möglicherweise ziehen die Mietpreise in einigen Jahren an. Die Entwicklung des Immobiliengeschäfts sei nicht vorhersehbar, sagte Finanzsenatorin Krajewski. „Es bleibt ein Stück Unsicherheit.“ Bei einem aber ist sich Krajewski sicher: „Die Veranwortlichen für dieses Desaster müssen zur Rechenschaft gezogen werden.“ Derzeit würden bereits Regressforderungen an einzelne Personen geprüft, so die Finanzsenatorin.

Zwar ist die Höhe der Risiken unklar, ein Blick in die Bilanzen aber zeigt die Dimensionen des Desasters: Die Bankgesellschaft hatte bereits im vergangenen Jahr einen Verlust von 1,65 Milliarden Euro ausgewiesen, hauptsächlich wegen der Schwierigkeiten im Immobilienbereich. In den ersten neun Monaten dieses Jahres fuhr die Bank einen Verlust von rund 370 Millionen Euro ein.

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