: CDU wandert an Kirchen vorbei
Zur Anhörung über das geplante Zuwanderungsgesetz hat die Union weder Kirchen noch Unternehmer eingeladen, weil beide keine CDU-nahen Meinungen zur Einwanderungsfrage vertreten. Stoiber: Arbeitgeber machen es sich „zu leicht“
von LUKAS WALLRAFF
Die Union schaltet auf Durchzug. Von ihrem kategorischen Nein zum geplanten Zuwanderungsgesetz der Bundesregierung wollen sich CDU/CSU weder durch die Mahnungen der Kirchen noch durch Forderungen der Wirtschaft abbringen lassen. Nach Informationen der taz hat die Unionsfraktion für die Expertenanhörung im Bundestags-Innenausschuss am 16. Januar ausschließlich Fachleute benannt, die dem rot-grünen Gesetzentwurf kritisch bis ablehnend gegenüberstehen – Kirchenvertreter oder Unternehmer gehören nicht dazu.
Die Union beschränkt sich auf das ihr zustehende Kontingent von vier erwünschten Experten wie den Verfassungsrechtler Christian Hillgruber. Auf den Vorschlag von SPD und Grünen, neben den „Parteilisten“ auch ein „neutrales Kontingent“ unabhängiger Fachleute zu befragen, sei die Union nicht eingegangen, sagte das grüne Ausschussmitglied Cem Özdemir.
Bei den Vorverhandlungen hätten SPD und Grüne vorgeschlagen, je einen Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche sowie des Zentralrats der Muslime zu benennen, so Özdemir – doch die Union habe abgelehnt und „den Kirchen einen Tritt in den Hintern versetzt“.
Allzu überraschend ist das allerdings nicht: Beim Thema Zuwanderung kritisierten beide Kirchen wiederholt die harte Linie der Union und forderten einen Konsens. Insbesondere in humanitären Fragen vertreten die Kirchen andere Auffassungen als die Union. So sagte der Chef der katholischen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, der verbesserte Schutz von Opfern nichtstaatlicher Verfolgung sei „sehr zu begrüßen“.
Als einziger Vertreter der Kirchen wird nun der EKD-Bevollmächtigte Stephan Reimers vor dem Ausschuss sprechen – auf Einladung von Rot-Grün.
Eine andere wichtige Klientel der Union, die Arbeitgeber, kommt in dem Gremium überhaupt nicht zu Wort. Denn auch die zuwanderungsfreundlichen Unternehmer zogen sich den Unmut der Unionsführung zu. Diese machten es sich „einfach zu leicht“, schimpfte CSU-Chef Edmund Stoiber kürzlich im Bundesrat „an die Adresse der Wirtschaft“, wenn sie „unsere Probleme vor allem durch Zuwanderung lösen wollen“.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hatte zuvor immer wieder an die Union appelliert, einem Konsens zuzustimmen. Der frühere BDI-Chef Hans-Olaf Henkel äußerte gar, er „verstehe die Haltung von CDU und CSU nicht mehr“. Das Zuwanderungsgesetz versetze Deutschland erstmals in die Lage, sich geeignete Zuwanderer auszusuchen. „Hier zu behaupten, dass der Zuwanderung Tür und Tor geöffnet wird, ist schlicht Unsinn.“
Ähnlich kritisch zur Haltung der Unionsspitze äußerte sich auch eine prominente CDU-Politikerin: Rita Süssmuth. Süssmuth verteidigte kurz vor Weihnachten den rot-grünen Gesetzentwurf und kündigte an, bei der Abstimmung im Bundestag notfalls gegen ihre Partei zu votieren. Auch die Vorsitzende der Zuwanderungskommission der Bundesregierung ist deshalb als Expertin unerwünscht.
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