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Der Kardinal sieht beim neuen Senat rot

Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky zeigt sich empört über fehlende Beachtung der Kirche und ihrer Themen im rot-roten Koalitionsvertrag. Der Bestand der katholischen Schulen sei gefährdet. Verhärtete Fronten im LER-Streit

Der Berliner Erzbischof, Georg Kardinal Sterzinsky, hat sich empört über den Koalitionsvertrag zwischen SPD und PDS in der Hauptstadt gezeigt: In dem mehr als 130 Seiten starken Papier sei die Kirche lediglich einmal erwähnt – und zwar nur im Zusammenhang mit dem öffentlichen Engagement unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen: „Das hätte die SED auch fertig gebracht“, zürnte der Oberhirte. Solange die PDS sich nicht in ihrer Gesamtheit zum Grundgesetz bekenne, sei sie „nicht koalitionsfähig“, ergänzte er.

Das wichtige Thema Religionsunterricht werde im Koalitionsvertrag noch nicht einmal genannt, kritisierte Sterzinsky. Man werde sich aber nicht damit abfinden, dass die angehende Koalition diese im Wahlkampf so bedeutende Frage offenbar für obsolet halte. Schulsenator Klaus Böger (SPD) zeige zwar Interesse an der Einführung eines werteorientierten Unterrichts. Er habe sich aber selbst gegenüber seiner eigenen Partei nicht durchsetzen können. Wie solle ihm das dann in der neuen Koalition gelingen, fragte der Kardinal.

Ohne eine Einigung der Landesregierung mit der Kirche in dieser Frage und bei der Finanzierung der Gefängnis- und Krankenhausseelsorge werde es nicht zu einem Abschluss des nach wie vor ausstehenden Kirche-Staats-Vertrag kommen, betonte der Erzbischof. Die katholische Kirche müsse in diesen Fragen der evangelischen Kirche gleichgestellt werden.

Der Kardinal kritisierte zugleich Kürzungen, die im Koalitionsvertrag bei den staatlichen Subventionen für die gut 20 Berliner Schulen in katholischer Trägerschaft vorgesehen seien: Die Kürzung der Zuwendungen für Personal von 97 auf 90 Prozent des Niveaus für Angestellte des Landes sowie der Abbau der Zuschüsse für Reinigungskosten der Schulen „riskiert den Bestand“. De facto zahle das Land sowieso nur 72 Prozent der Schulkosten, da es nicht für den Erhalt und Bau der Lehranstalten aufkomme. Nach Auskunft des bischöflichen Schuldezernenten, Hans-Peter Richter, müssten die katholischen Schulen bis 2006 mit insgesamt 9,5 Millionen Euro weniger auskommen. Die über 1.000 Lehrerstellen, die der neue Senat einrichten wolle, würden bei katholischen Schulen gespart. Wenn jedoch diese Schulen eingingen, werde es für das Land noch teurer als jetzt.

Wenige Tage vor einem ersten Treffen mit dem brandenburgischen Minsterpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) Mitte kommender Woche scheinen sich zugleich die Fronten im Streit um das dortige Pflichtfach „Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde“ (LER) wieder zu verhärten. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen hatte das Bundesverfassungsgericht am 11. Dezember vergangenen Jahres einen Kompromissvorschlag im schulpolitischen Dauerstreit vorgestellt. Solange es keine verbindlichen und unkündbare Regelungen für den Religionsunterricht gebe, werde es keine Einigung geben, betonte Sterzinsky.

Der Kardinal forderte, dass es katholischen Religionsunterricht an Brandenburgs Schulen – anders als die Richter vorschlugen – auch mit weniger als 12 Interessenten pro Jahrgang geben müsse. Auch die Abmeldung vom Pflichtfach LER zugunsten des Religionsunterrichts müsse problemlos möglich sein. Ebenso müsse die finanzielle Unterstützung für den Religionsunterricht festgeschrieben werden und dürfe sich nicht nur nach der Haushaltslage richten. Wenn Potsdam den Karlsruher Vorschlag wörtlich umsetzen wolle, werde man das ablehnen. Dagegen kündigte der Sprecher der brandenburgischen Landesregierung, Manfred Füger, an, die Koalition in der Mark werde den Kompromissvorschlag der obersten Richter notfalls auch im Alleingang verwirklichen.

PHILIPP GESSLER

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