: „Worüber streiten Sie denn?“
Nicht einmal Gerichtspräsidentin Jutta Limbach verstand, was die Streithähne am Ende noch trennte. Nach drei Stunden war der Airbus-Konflikt beigelegt
aus Karlsruhe CHRISTIAN RATH
„Das Verfahren wird eingestellt. Ich schließe die Sitzung.“ Auch Jutta Limbach war sichtlich zufrieden, dass es so schnell gegangen war. Zuvor hatte Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) vorgelesen, was er am Donnerstag den anderen Nato-Staaten mitteilen will. Die Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) und Wolfgang Gerhardt (FDP) waren damit zufrieden und erklärten ihre Anträge prompt für „erledigt“.
Nur gut drei Stunden brauchte das Verfassungsgericht – schon löste sich ein komplizierter Haushaltskonflikt, bei dem unabsehbare außenpolitische Verwicklungen drohten, in badischen Sonnenschein auf. Jetzt müssen nur noch die anderen Nato-Staaten das deutsche Procedere akzeptieren.
Ausgelöst wurde der Streit im Dezember, als sich sieben Nato-Staaten in einem „Memorandum of Understanding“ zum Kauf von insgesamt 196 Militärtransportern des Typs Airbus A400M verpflichteten. In einem Notenwechsel machte Rudolf Scharping einen Vorbehalt: Erst wenn der Bundestag zugestimmt habe, sei der deutsche Kaufauftrag auch rechtsverbindlich. Im Gegenzug erklärten die anderen sieben Staaten, dass sie diese Zustimmung bis zum 31. Januar erwarten, sonst würden sie sich nicht mehr an die Vereinbarung gebunden fühlen.
Angst vor Nachtragshaushalt
Im frisch verabschiedeten Bundeshaushalt für das Jahr 2002 waren allerdings erst 5,1 Milliarden Euro eingeplant. Weitere 3,6 Milliarden sollten erst im Haushalt 2003 berücksichtigt werden. Die Union forderte nun einen Nachtragshaushalt, um den ganzen Betrag im Jahr 2002 zu verbuchen. Die Bundesregierung wollte einen Nachtragshaushalt aber gerade vermeiden, weil sie eine neue Grundsatzdebatte über die klammen Wehrfinanzen fürchtete. Stattdessen ließ Scharping den Bundestag vorigen Freitag eine einfache Entschließung fassen, in der das Projekt „unterstützt“ wird.
Schon eine halbe Stunde nach Ende der Parlamentssitzung ging beim Bundesverfassungsgericht der Antrag auf einstweilige Anordnung ein. Mit ihm wollte die Opposition aus Union und FDP verhindern, dass Scharping einen völkerrechtlich verbindlichen Kaufvertrag schließt, solange die Haushaltsrechte des Parlaments nicht vollständig berücksichtigt sind.
Jetzt trafen sich Regierung und Opposition in Karlsruhe – um einen skurrilen Streit fortzusetzen, den außerhalb des Berliner Regierungsviertels kaum jemand verstand. Schließlich sind außer der PDS alle Bundestagsparteien für die Anschaffung der Flugzeuge. Es wird also niemand über den Tisch gezogen. Und auch das Geld muss so oder so erst in künftigen Jahren bezahlt werden. Umstritten war allein die Formfrage, ob schon im diesjährigen Haushalt eine entsprechende Verpflichtungsermächtigung enthalten sein muss.
Vor den Verfassungsrichtern ließ Rudolf Scharping keine Unklarheiten mehr aufkommen. Der Bundestagsbeschluss von letzter Woche sei nur ein „politisches Signal“ an die Partnerländer. Selbstverständlich werde damit der Parlamentsvorbehalt nicht aufgehoben. Von den Partnerländern habe er bereits „politische Signale“, dass man Deutschland auch dann als verlässlichen Partner betrachte, wenn die haushaltsrechtlichen Verfahren erst später abgeschlossen seien. Für die Kläger bezweifelte ihr Rechtsvertreter Reinhard Mußgnug, ob die anderen Staaten die Aussagen des deutschen Verteidigungsministers wirklich richtig verstehen werden.
Scharpings Erklärung
„Meine Herren, ich frage mich, worüber Sie eigentlich noch ernsthaft streiten“, fuhr da Jutta Limbach, die Vorsitzende des Zweiten Senats, dazwischen und erklärte den Klägern, dass Scharpings Äußerungen doch deutlich genug gewesen seien. Dann unterbrach sie die Sitzung und bat Scharping, seine Aussagen aufzuschreiben. Als er wiederkam und eine 15-zeilige Erklärung verlas, fanden auch Merz und Gerhardt, dass der Konflikt nunmehr erledigt sei.
kommentar SEITE 12
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen