: EU erlaubt weniger Beihilfen
Kommission beschließt neues Regelwerk zur Investitionsförderung. Maximal darf der Staat Neuansiedlungen mit 26,25 Prozent bezuschussen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Höppner spricht von „schwerem Schlag gegen den Aufbau Ost“
aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER
Großinvestoren in den neuen Bundesländern müssen sich vom 1. Januar 2004 an auf niedrigere staatliche Zuschüsse einstellen. Die EU-Kommission beschloss gestern ein neues Regelwerk, das die Rahmenverordnung von 1998 ablösen soll. Ein Ziel dabei ist es, die Regeln für Unternehmen durchschaubarer zu machen und überflüssige Bürokratie einzusparen. Gleichzeitig sollen staatliche Finanzspritzen für Großprojekte künftig maßvoller als bisher ausfallen.
Kein Zufall ist, dass die Kommission ihre Modellrechnung, an der sie das neue System erklärt, in einer Region mit 35 Prozent Förderhöchstgrenze ansiedelt. Diese Grenze gilt nämlich in vielen Gebieten der neuen Bundesländer – all den Regionen, wo das Durchschnittseinkommen unter 75 Prozent des EU-Durchschnitts liegt.
Entsprechend drastisch war die Reaktion. Sachsen-Anhalts Regierungschef Reinhard Höppner (SPD) nannte die Pläne einen „schweren Schlag gegen den Aufbau Ost“. Für Projekte mit einem Investitionsvolumen von höchstens 50 Millionen Euro wird sich nichts ändern – sie können weiterhin bis zu 35 Prozent staatliche Förderung erhalten. Zuschüsse für Projekte bis 100 Millionen Euro müssen ab 1. Januar 2004 nicht mehr bei der EU-Kommission angemeldet werden. Die Obergrenzen werden aber gekappt. Maximal 26,25 Prozent darf der Staat noch zuschießen, ohne mit den Brüsseler Wettbewerbshütern in Konflikt zu geraten. Für Großinvestitionen mit einem Volumen über 100 Millionen Euro gilt wie bisher, dass sie in Brüssel angemeldet werden müssen. Zudem sinken die Förderobergrenzen drastisch: von bislang 35 Prozent auf bis zu 13,34 Prozent bei Projekten von mehr als einer Milliarde.
Zusätzlich will die Kommission das Marktumfeld und den strukturellen Einfluss auf die Region stärker berücksichtigen. Unternehmen, die in der EU bereits einen Marktanteil von mehr als 25 Prozent haben, sollen gar nicht mehr staatlich bezuschusst werden. Einen „Kohäsionsbonus“ gibt es dagegen, wenn ein Unternehmen eine gute Geschäftsidee hat und für die Region, in der es sich ansiedeln will, positive Entwicklungsanreize erwartet werden. Bei einem Investitionsvolumen von 500 Millionen Euro werden dann zum Beispiel statt 19,08 Prozent 23,84 Prozent an nationalen Zuschüssen erlaubt. Bis zu 15 Prozent mehr Beihilfen darf es für Projekte geben, die neben nationalen Zuschüssen auch Beihilfen aus dem EU-Haushalt bekommen. Der Sprecher von Wettbewerbskommissar Mario Monti begründete diese Regelung gestern damit, dass man so die Kohäsions- und Regionalpolitik der Gemeinschaft stärken wolle.
Trotz dieser Sonderregelungen und Schlupflöcher müssen sich die neuen Länder auf härtere Zeiten einstellen. Denn zeitgleich mit den neuen Fördersätzen wird auch der „Big Bang“ erwartet – der Beitritt von zehn ärmeren Ländern zur Europäischen Union. Damit sinkt statistisch das Durchschnittseinkommen. Viele Regionen, die heute die 75 Prozent EU-Durchschnitt nicht erreichen und mehrfach gefördert werden, gehören dann rein rechnerisch zu den reichen Gebieten der EU – auch wenn sich faktisch an ihren Lebensumständen nichts geändert hat.
Tatsächlich bedeutet die neue Rahmenverordnung der EU-Kommission für mittelständische Projekte keine Verschlechterung gegenüber der bisherigen Förderpraxis. Sie beschneidet nur den Geldsegen für Großunternehmen. Anträge für derartige Investitionen in einem Gesamtumfang von 5 Milliarden Euro sind derzeit im Antragsverfahren. Bis zu eine Milliarde an Subventionen wollen sich die Firmen noch sichern, bevor strengere Zeiten auf sie zukommen.
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