„Der schwarze Peter liegt bei der Polizei“

Ein Sprecher der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB) fordert am 1. Mai eine polizeifreie Zone in Kreuzberg, um Raum für politische Diskussionen zu schaffen. Für den rot-roten Senat müsse das kein Waterloo mit Randale bedeuten

taz: Herr Schlosser, was meinen Sie: Jährt sich das Krawallritual am 1. Mai zum 16. Mal in Folge, oder wird diesmal alles ganz anders?

Marc Schlosser: Die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) will, dass die Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration um 18.00 Uhr durchgeführt wird. Auf das, was im Anschluss passiert, haben wir den wenigsten Einfluss. Das liegt unserer Erfahrung nach am Verhalten der Berliner Polizei.

Dass die Polizei immer schuld am Krawall war, ist doch ein Ammenmärchen.

Das ist meine Erfahrung. Natürlich ist eine Demonstration immer eine konfrontative Situation, bei der unterschiedliche Interessen aufeinander treffen. Aber in Berlin liegt der schwarze Peter eindeutig bei der Polizei, von der die Eskalation in der Regel ausgeht. In anderen Städten habe ich das schon anders erlebt.

In diesem Jahr hat ein Linksbündnis zu einem polizeifreien 1. Mai in Kreuzberg 36 aufgerufen. Der 1. Mai soll repolitisiert werden. Was soll das heißen?

Ich kann hier nur für die AAB sprechen, die Teil des Bündnisses ist. Ziel ist es, zentral am 1. Mai eine möglichst große Zahl von Leuten zu einem emanzipativen und linken Diskurs in Kreuzberg zu versammeln. Also da möglichst viel an Kommunikation zu schaffen, möglichst viele Leute zu den Veranstaltungen und Konzerten zu mobilisieren. Das Ganze soll, wenn möglich, ohne Polizei über die Bühne gehen, weil erst das eine vernüftige Diskussionsatmosphäre ermöglicht.

Glauben Sie, dass sich die Polizei auf einen polizeifreie Zone einlassen wird?

Das weiß ich nicht. Aber ich hoffe es, weil es sowohl für die Demonstration als auch für den ganzen Tag eine wunderschöne Atmosphäre wäre.

Also eine große Spielwiese mit Lagerfeuern aus umgestürzten Autos?

Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass selbst betrunkene Punker aus Freiburg nicht randalieren, wenn sie nicht ständig von grimmigen Beamten mit heruntergeklapptem Visier herumgeschubst werden.

Sind Sie wirklich der Meinung, dass sich Kids, die eigens um der Randale willen nach Kreuzberg kommen, durch politische Veranstaltungen zur Raison rufen lassen?

Es ist nicht unsere Aufgabe, irgendjemanden zur Raison zu rufen. Im Gegenteil. Wir glauben, dass die Jugendlichen, die am 1. Mai anreisen, und auch die aus dem Kiez ein Anliegen haben, wenn sie auf die Demo gehen. Wir sprechen ihnen ein politisches Anliegen nicht deshalb ab, weil sie vielleicht nicht Politologie studiert haben. Wir wollen ihnen ein Angebot machen, mit Kultur, Veranstaltungen und der Demo das auszudrücken, worum es ihnen geht.

Gehört dazu auch der Krawall?

Die Auseinandersetzung vor und nach der Demo war noch nie Teil unserer Politik. Sie war weder beabsichtigt noch geplant.

Aber viele haben daran eine Heidengaudi.

Das ist wohl auf beiden Seiten so.

Könnte die Polizei mit ihrem AHA-Deeskalationskonzept Konzept auch Teil des Bündnisses werden?

Das kann ich ganz bestimmt ausschließen, weil sich das Bündnis einer linken Öffentlichkeit verpflichtet fühlt. Da haben weder die Polizei noch sonstige staatliche Stellen etwas suchen. Die Polizei ist natürlich herzlich eingeladen, nicht wie die letzten 16 Jahre mit einem martialischen Aufgebot aufzutauchen.

Wird der rot-rote Senat ein Waterloo erleben, wenn er auf die Forderungen eingeht?

Ich bin kein Hellseher. Aber wenn die Polizei sich anders verhält als in den letzten Jahren, stehen die Chancen ganz gut, dass es nicht dazu kommt.

INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE