: Handyhersteller sträuben sich
Wenn es nach der Industrie ginge, bliebe die Strahlenbelastung von Handys weiter im Kleingedruckten versteckt. Doch Anfragen von Kunden häufen sich. Politik und Verbraucherschützer arbeiten am Gütesiegel für strahlungsarme Mobiltelefone
aus Berlin MATTHIAS URBACH
„Wir werden gelöchert nach Klingeltönen, Farben und Größen – aber nach der Handystrahlung fragt kein Kunde.“ Das hören die Experten des Umweltministeriums derzeit oft, wenn sie mit der Handyindustrie an einem Tisch sitzen und über ein Strahlenschutzlabel verhandeln. Im März ist ein weiteres Treffen im Kanzleramt geplant, um das von der Politik gewünschte Label voranzubringen. Doch die Hersteller würden Angaben über die Strahlung am liebsten zwischen den technischen Details verstecken.
Dabei hatte das Kanzleramt erst im Dezember stolz verkündet, man habe sich mit der Industrie auf eine Selbstverpflichtung geeinigt, unter anderem auch auf eine „verbraucherfreundliche Kennzeichnung“ von Handys mit „geringem“ Strahlungswert. Nur hatte das Kanzleramt in der Eile bloß die Betreiber der Mobilfunknetze eingeladen. Erst im Nachhinein ging man auf die Handyhersteller zu – die sind entsprechend verschnupft.
Eigentlich ohne Grund: Denn das Kanzleramt verhinderte durch seine hektische Intervention schärfere Regelungen, an denen einige Abgeordnete bereits feilten. Zu ihnen gehörte der grüne Umweltpolitiker Winfried Hermann. Der will nun wenigstens ein anständiges Gütesiegel erreichen und lud mit Ulrike Höfken (Grüne) Experten zur Anhörung – auch aus den Reihen der Industrie. Doch die scheuten das Gespräch.
Wären sie gekommen, hätten sie hören können, dass das Interesse an Information über elektromagnetische Belastung groß ist. Bei ihnen gebe es laufend Anfragen, berichtet etwa Peter Knaak von der Stiftung Warentest, „unabhängig davon, ob wir gerade berichtet haben“. Und Michael Karus vom nova-Institut registriert bereist 150.000 Zugriffe im Monat auf seiner Infoseite www.HandyWerte.de, mit Messergebnissen.
Unklar ist noch, ab welchem Wert ein Gütesiegel verteilt werden soll, und ob auch weitere Merkmale außer der Belastung des Kopfes eingehen sollen. Die Mehrheit der Verbraucherschützer plädierte gestern dagegen. Das Label solle möglichst plakativ sein. Auch sprach man sich gegen ein Label aus, das sich wie die Energieklassen bei den Kühlschränken in der Bewertung nur an den am Markt verfügbaren Geräte orientiere.
Stattdessen sollten objektive Kriterien herangezogen werden: Welche Strahlungsabgabe ist nötig, um in den bestehenden Netzen telefonieren zu können. Schließlich nehmen die Strahlenwerte der Handys derzeit eher zu als ab. Das liegt am Wunsch nach kleineren Handys – und bei diesen ist die Antenne näher am Kopf.
Selbst gesundheitsbewusste Kunden orientieren sich offenbar zunächst an Akkulebensdauer und Größe, berichtete Ökotest-Herausgeber Jürgen Stellpflug. Erst wenn diese Kriterien erfüllt seien, gebe der Strahlenwert den Ausschlag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen