: Bush: „Gefährliche Phase“
US-Großoffensive im Osten Afghanistans fortgesetzt. US-General verwechselt Afghanistan mit Vietnam. Afghanische Regierung erwartet keinen schnellen Sieg über Taliban und al-Qaida
GARDES/WASHINGTON afp/rtr/taz ■ „Wir befinden uns in einer gefährlichen Phase des Krieges“, kommentierte US-Präsident George W. Bush am Montag den Tod mehrerer US-Soldaten bei der jüngsten Offensive in Afghanistan. „Solange ich Präsident der Vereinigten Staaten bin“, führte er aus, „werde ich diejenigen verfolgen, die Amerika Schaden zufügen und uns unsere Freiheit nehmen wollen.“ Gestern setzte die US-Armee ihre Großoffensive im Osten Afghanistans trotz hoher Verluste mit unverminderter Härte fort.
B-52-Flugzeuge bombardierten erneut mutmaßliche Stellungen von Taliban und Al-Qaida-Kämpfern in den Bergen der Region Paktia. Die Kampfhandlungen konzentrierten sich auf den schmalen Landstreifen Schahi Kot nahe der Grenze zu Pakistan. Wie ein örtlicher Kommandeur der afghanischen Anti-Taliban-Truppen berichtete, waren bei den neuerlichen Angriffen zunächst keine Bodentruppen im Einsatz. Die US-Soldaten und ihre afghanischen Verbündeten warteten noch auf weitere Befehle, hieß es. An der Großoffensive sind nach Angaben der US-Militärführung rund 2.000 Soldaten beteiligt, darunter 950 US-Amerikaner, 750 Afghanen und weitere 200 aus befreundeten Staaten wie Deutschland.
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld räumte hartnäckigen Widerstand aufseiten des Gegners ein. Die Taliban- und Al-Qaida-Kämpfer in den Bergen seien „wohlorganisiert, gut bewaffnet und kämpfen entschlossen“, sagte Rumsfeld. Die USA hätten jedoch starken Widerstand erwartet. „Genau das passiert gerade“, sagte der Minister. Der Generalstabschef Richard Myers ergänzte: „Es scheint, dass sie sich dafür entschieden haben, bis zum letzten Mann zu kämpfen.“ Zwischen 100 und 200 Al-Qaida-Kämpfer seien bereits getötet, mehrere weitere seien festgenommen worden. Mindestens sieben US-Soldaten wurden getötet und weitere 40 verletzt.
Der Einsatz sei seit Wochen geplant gewesen, sagte US-General Tommy Franks. Er laufe unter dem Namen „Operation Anaconda“, benannt nach der Boaschlange, die ihre Beute erwürgt. Aus Versehen würdigte Franks bei seiner Stellungnahme zunächst die Soldaten, „die ihr Leben bei unseren anhaltenden Operationen in Vietnam gelassen haben“. Später korrigierte er sich.
Der afghanische Provinzgouverneur Taj Mohammed Wardak sagte, mit einem Ende der Kämpfe sei erst in einigen Tagen zu rechnen. Die in den Bergen verschanzten gegnerischen Truppen würden durch neue Kämpfer und Waffen unter anderem aus Teilen Pakistans verstärkt. Möglicherweise seien dort auch einige hohe Al-Qaida-Mitglieder. Wardak zufolge gibt es Gerüchte, dass sich Ussama Bin Laden in den Arma-Bergen aufhält.
Der 30-jährige Taliban-Kommandeur Maulwi Saif ur Rehman Mansur sagte zu der seit vier Tagen anhaltenden größten Offensive des Krieges, der Kampf gegen die Amerikaner gehe „bis zum letzten Atemzug“ weiter.
Die Nachrichtenagentur AIP gab ein Telefonat wieder, in dem Mansur die jüngsten Bombardements der USA als Test bezeichnete. „Wir gehen lieber in den Tod, als ein Leben in Schande zu führen“, sagte Mansur.
Afghanistans Vizeaußenminister Mohammed Rahim Schirsai gibt sich wenig optimistisch: „Manche unserer Nachbarn und Länder in der Region haben in den letzten zwei Jahrzehnten Marionetten in Afghanistan installiert. Es ist unwahrscheinlich, dass wir sie bald zerstören können.“
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