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Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Gerade Schüler brauchen gesundes Essen. Doch vielen Eltern ist schon die Schulspeisung zu teuer: „Die Kinder haben mittags einfach Hunger“

Kinder brauchen gutes Essen, klar. Doch welcher Erziehungsberechtigte hat schon Zeit, frühmorgens „mundgerechte Brote“ in „kleine Dreiecke“ zu schneiden, Paprika und Gurke in eine „fantasievolle Form“ zu bringen und obenauf noch ein Stück Trockenobst als „süße Überraschung“ zu packen? Eben. Aber streng genommen, so empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, brauchen die lieben Kleinen genau so einen Pausensnack, um gesund über den Tag zu kommen. Eltern, die lieber einen Euro für Kiosk-Cola und Milchschnitte springen lassen, ermahnt das Institut: Alles, was viel Zucker, Fett, Honigzusätze oder gar Coffein enthält, gehört nicht auf den Kinder-Speiseplan.

Dazu kommt, dass in vielen Familien nicht nur die morgendliche Muße zum Gemüsehäckseln fehlt, sondern vor allem das Kleingeld. Davon kann Bernd Siggelkorn, Leiter der Hellersdorfer Kinder- und Jugendeinrichtung „Arche“, ein Lied singen. Im demoskopisch jüngsten Bezirk Berlins bekommen 35 Prozent der Schüler nur zweimal pro Woche ein warmes Essen – ganz zu schweigen von „süßen Überraschungen“ in Brotboxen. „Die Kinder haben mittags einfach Hunger“, erklärt Siggelkorn. „Viele stammen aus überschuldeten, arbeitslosen Haushalten, werden nur von einem Elternteil erzogen oder bestenfalls sind beide Eltern berufstätig.“ Die Schulspeisung koste täglich rund zwei Euro, der Sozialhilfesatz pro Kinderkopf betrage 2,30 Euro. Leisten könnten sich die mittägliche Essensration in der Schule noch lange nicht alle. Seit Mai 2001 ordert Siggelkorn bei der Berliner Großküche „Bärenmenü“, und die Kinder können sich mittags über eine kostenlose Portion Spaghetti freuen. Das Projekt, das sich über Spenden finanziert, richtet sich gerade eine eigene Küche ein.

„Als wir ein Auswahlessen auf fleischlos umgestellt haben, meinten die Kinder, sie wollten lieber was Vernünftiges essen“, sagt Gaby Pollmer von „Bärenmenü“. Das Unternehmen beliefert insgesamt 400 Berliner Schulen und Kitas seit 1953 – zuerst als VEB Städtische Großküchen, dann als „Bärenmenü“. Jetzt gibt es eben wieder ordentlich Bolognese-Sauce auf die Nudeln. Die ganz Kleinen, so Pollmer, lieben Süßspeisen wie Milchreis und Griesbrei, während die Schüler der weiterführenden Schulen gern Aufläufe, Pizza und Salate mit Schafskäse essen. „Bärenmenü“ bemüht sich immerhin, die meisten Produkte aus dem Umland zu beziehen. Dass das Essen bis zu sechs Stunden in Thermoporten warm gehalten wird, müssen die Schüler hinnehmen. Das Menü für den Bärenhunger rangiert um die zwei Euro.

Die Kluft zwischen frommem Öko-Wunsch und Realität ist groß. Doch Ernährungsministerin Renate Künast hat Fast Food den Kampf angesagt: Künast ist Schirmherrin der „5 am Tag“-Kampagne. Fünf Portionen Grünzeug, etwa 600 Gramm also, sollen schon Kinder zu sich nehmen, um Zivilisationskrankheiten vorzubeugen – was Hänschen nicht isst, isst Hans nimmermehr. Und die Karotte muss ja nicht immer fantasievoll zurechtgeschnitzt werden.

CHRISTA STORM

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