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Gewalt eskaliert nach Pessachfest

In Frankreich werden mehrere jüdische Einrichtungen Ziel von Anschlägen. Auch in Brüssel wird ein Molotowcocktail in eine Synagoge geworfen. Frankreichs Präsident Chirac verurteilt die Gewalt und verwahrt sich gegen Vorwürfe des Antisemitismus

aus Paris DOROTHEA HAHN

Eine ausgebrannte Synagoge in Marseille, Schüsse auf eine koschere Metzgerei in Toulouse, Rammfahrten zweier Autos auf das Tor einer Synagoge in Lyon, eingeschlagene Fenster eines jüdischen Gemeindezentrums in Nizza und ein versuchter Brandanschlag auf eine Synagoge in Straßburg. Das ist die gewalttätige Bilanz des Oster- und Pessachwochenendes in Frankreich. Auch in der belgischen Hauptstadt Brüssel wurden in der Nacht zu Montag Molotowcocktails in eine Synagoge geworfen.

Während Sprecher der jüdischen Institutionen Frankreichs nach verstärktem Schutz durch die Behörden verlangten, setzte Staatspräsident Jacques Chirac eine Kippa auf und besuchte eine Synagoge in Le Havre. Premierminister Lionel Jospin verurteilte die Anschläge und nannte den Respekt zwischen den Religionen eine „Basis der Republik“. „Frankreich ist kein antisemitisches Land“, sagte Chirac. Zugleich sprach er von seiner „sehr großen Sorge über die Spannungen, die hier und dort zunehmen“. Die Gewaltakte nannte er „unbeschreiblich“ und „unerträglich“.

Während sich die jüdische Gemeinde von Marseille darauf vorbereitete, die verkohlte Thorarolle und andere Reste aus ihrer verbrannten Synagoge zu begraben, verstärkte die Polizei landesweit ihre Präsenz vor Synagogen, jüdischen Schulen und anderen Einrichtungen. Gestern fand ein Schweigemarsch im Beisein des örtlichen Bürgermeisters in Marseille statt.

Bereits am Sonntag hatten sich die Spitzen der jüdischen und der muslimischen Gemeinde sowie der Bürgermeister von Lyon versammelt und ein Ende der Gewalttaten gefordert. Aus der Spitze der jüdischen Institutionen Frankreichs kamen widersprüchliche Stellungnahmen. Ein Sprecher des Konsistoriums verglich die Gewaltakte mit der „Reichspogromnacht“. Er provozierte heftige Reaktionen aus seiner Gemeinde. Théo Klein, ehemaliger Präsident des CRIF, des Rates der jüdischen Institutionen Frankreichs, erinnerte daran, dass der „Antisemitismus eine politische Bewegung ist“. Die gegenwärtige Gewalt nannte er eine „wütende und gewalttätige Reaktion auf die Ereignisse im Nahen Osten“. Anstatt voreiliger Vergleiche empfahl er, die „Geschichte der Dreißigerjahre sorgfältig zu studieren“.

Die großen Institutionen der jüdischen Gemeinde in Frankreich ergriffen mehrheitlich Partei für die israelischen Regierung. In den vergangenen Wochen organisierten sie drei „Galaabende“ zugunsten der israelischen Armee „Tsahal“, obwohl linke und pazifistische jüdische Gruppen gegen diese „Lobesveranstaltungen“ protestierten.

Bereits vor Wochen hatte der israelische Regierungschef Ariel Scharon einen angeblich „zunehmenden Antisemitismus“ in Frankreich kritisiert. Bei seinem Frankreichbesuch wiederholte sein Vizeaußenminister diese Anschuldigungen, die von den Spitzen der französischen Politik zurückgewiesen wurden. Tatsächlich ist die Auswanderungsbewegung aus Frankreich in Richtung Israel seit der kriegerischen Zuspitzung im Nahen Osten stark zurückgegangen.

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