: Ein Spiel auf Zeit
Israel verstärkt Militäroperationen trotz Bush-Initiative. Kein sofortiger Truppenrückzug geplant. Warten auf Powells Besuch
aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
Beide Seiten sind zufrieden. Das wenigstens spiegeln die offiziellen Reaktionen wider. Sowohl die Palästinensische Autonomiebehörde als auch Israels Regierung haben die neue Initiative von US-Präsident George W. Bush begrüßt. Er hatte am Donnerstagabend den Besuch von Außenminister Colin Powell in der Region angekündigt und an die Israelis appelliert, die Truppen aus dem besetzten Autonomiegebiet abzuziehen. Auch der Siedlungsbau müsse aufhören. Gleichzeitig wiederholte Bush mit Schärfe, dass Jassir Arafat bisher nicht ausreichend gegen den Terror vorgegangen sei und deshalb für seine derzeitige Lage „allein die Verantwortung trägt“. Das israelische Außenministerium sagte den USA „volle Kooperation“ zu, um die Mission Powells gelingen zu lassen. Die palästinensische Führung akzeptierte die Ansprache Bushs „bedingungslos“.
Zum ersten Mal seit Beginn der Operation „Schutzwall“ vor gut einer Woche wurde ein ausländischer Diplomat zu Arafat vorgelassen. Der amerikanische Sonderbeauftragte Anthony Zinni informierte den Palästinenserführer in dem eineinhalb Stunden dauernden Gespräch darüber, dass die Israelis die Auslieferung der Mörder von Tourismusminister Rechawam Seewi sowie von Fuad Schubaki fordern, der hauptverantwortlich für den vor einigen Wochen aufgeflogenen Waffenschmuggel auf einem dann von den Israelis geakperten Schiff im Mittelmeer war. Schubaki hält sich offenbar zusammen mit Arafat in Ramallah auf. Die Gespräche sollen fortgesetzt werden.
Die Israelis unternahmen trotz der Bush-Rede gestern jedoch keinerlei Anstrengung, die Besatzung zu beenden. Die Truppen rückten vielmehr bei Hebron noch tiefer in die Autonomiezone vor. Besonders heftige Kämpfe gab es in Dschenin und in einem Flüchtlingslager. Der israelische Militärsender meldete, mindestens 70 Palästinenser seien dabei umgekommen.
In den Reihen der Armee herrscht offenbar Uneinigkeit über die Dauer der Operation. Stabschef Schaul Mofas sprach von vier bis acht Wochen. Auch David Chacham, Berater im Verteidigungsministerium, meint, dass „hier nicht die Rede von einigen Tagen ist“. Man wolle zwar keine neue Besetzung der Gebiete, aber man brauche Zeit, um „ein für alle Mal aufzuräumen“.
Der Militärexperte Seew Schiff von der liberalen Tageszeitung Ha’aretz meint, dass die Armee die Zeitspanne auch deshalb so weit steckt, um bei einem Misslingen, sprich: neuen Terroranschlägen, nicht zur Verantwortung gezogen zu werden. Nicht nur aufgrund des wachsenden internationalen Drucks und der Notlage der seit Tagen unter Ausgangssperre harrenden palästinensischen Bevölkerung, sondern auch aus strategischen Gründen sind ein schnelles Vorgehen und der anschließende Abzug sinnvoll. Im Umfeld von Scharon war von einer Beendigung der Operation innerhalb einer Woche die Rede. Die Forderung der Amerikaner, „mit dem Truppenrückzug zu beginnen“, löste, so Schiff, in Jerusalem keine Panik aus. Allein die Tatsache, dass Colin Powell vermutlich erst gegen Ende kommender Woche die Region erreicht, lasse die Regierung hoffen, dass das Vorhaben, die Palästinenser im Westjordanland zu entwaffnen, noch im Vorfeld des Besuchs vollendet werden könnte.
In der israelischen Öffentlichkeit stößt die Operation – das ergaben Umfragen der Tageszeitung Yediot Achronot – auf große Zustimmung. Konnte sich Scharon im März auf die Sympathie von nur 45 Prozent der Befragten berufen, so sind es inzwischen wieder 68 Prozent der jüdischen und 62 Prozent der Gesamtbevölkerung, die ihm seine Unterstützung zusagen.
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