Letzte Hoffnung für Geprellte

BGH entscheidet heute über windige Kreditgeschäfte an der Haustür. Bisher ist unklar, ob ein fortschrittliches EuGH-Urteil auch für die Vergangenheit gilt

FREIBURG taz ■ Für geprellte Kreditnehmer steht heute in Karlsruhe viel auf dem Spiel: Der Bundesgerichtshof (BGH) verhandelt über die Frage, ob das so genannte Haustürwiderrufsgesetz auch für Kreditverträge gilt. Rund 300.000 Menschen, so schätzen Verbraucheranwälte, ließen sich in den letzten Jahren an der Haustür zu ungünstigen Krediten überreden. Sie kauften Haus oder Wohnung und schlossen gleichzeitig einen Darlehensvertrag, um den Kauf zu finanzieren. Ein scheinbares Schnäppchen, denn mit Mieteinnahmen und Steuervorteilen sollte gleichzeitig der Kredit abbezahlt werden.

Meist aber kam alles anders. Mieter blieben aus und beim Versuch, die Immobilie zu verkaufen, stellten die Neueigentümer fest, dass diese deutlich weniger wert war als behauptet. Außerdem mussten die Geprellten immer noch die Kredite mit hohen Zinsverpflichtungen abzahlen. Seit Jahren wird nun vor Gericht darüber gestritten, ob solche Kreditverträge überhaupt wirksam zustande kamen.

Im Mittelpunkt steht die Frage, ob in solchen Fällen nicht das Haustürwiderrufsgesetz anzuwenden ist. Falls ja, hätten die Kreditnehmer bei Vertragsabschluss belehrt werden müssen, dass sie binnen einer Woche widerrufen können. Und da die „Drücker“ an der Haustür in der Regel eine solche Belehrung unterließen, wäre auch viel später noch eine Befreiung von ungünstigen Krediten möglich gewesen. Der Haken: Für Kredite gilt das Haustürwiderrufsgesetz ausdrücklich nicht.

Im Dezember schöpften die Investoren Hoffnung: Auf Anfrage des BGH entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass der Bundestag bei der Umsetzung der EU-Haustürwiderrufs-Richtlinie Fehler gemacht habe. Auch bei Krediten müssten Bürger vor Überrumpelung durch ungebetene Vertreter geschützt werden, erklärten die Europarichter. Gefordert ist damit der Gesetzgeber, der das deutsche Widerrufsrecht entsprechend ändern muss.

Der BGH muss nun klären, ob die EuGH-Entscheidung auch rückwirkende Bedeutung hat. Zu prüfen ist, ob das fehlerhafte deutsche Gesetz nicht einfach im Sinne der EU-Richtlinie ausgelegt werden kann. Banknahe Juristen lehnen das ab, weil der Wortlaut des Gesetzes ganz eindeutig war. „Banken müssen sich auf ein Gesetz verlassen können“, sagen sie, „auch wenn der Gesetzgeber Fehler gemacht hat.“

Die Anwälte der Kreditnehmer haben jedoch Belege, dass sich zumindest die hier stark engagierte Hypo-Bank keineswegs auf den Ausschluss ihrer Geschäfte vom Haustürwiderrufsrecht verlassen hat. Vielmehr wurden die Vermittler instruiert, das Gesetz gezielt zu umgehen. So sollte etwa telefonisch ein Beratungstermin vereinbart werden oder der Vertragsschluss nicht an der Haustür, sondern erst später stattfinden. Der Ausgang des Verfahrens ist offen, könnte den Schuldnern die Möglichkeit zum Widerruf ihrer Unterschriften einräumen, auch wenn die Banken die besseren Karten haben. Gestritten wird um Milliarden – je nachdem wieviele der Geschäfte tatsächlich an der Haustür abgeschlossen wurden. CHRISTIAN RATH