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Ein Kuckucksei für Joschka Fischer

Seitdem der Kanzler öffentlich über deutsche Soldaten in Israel nachgedacht hat, redet niemand mehr über den Nahostplan seines Außenministers

aus Berlin JENS KÖNIG

So ist das mit den Eiern, über die man redet, obwohl sie noch nicht gelegt sind. Urplötzlich sind sie doch in der Welt. Die einen verstecken sie dann ganz schnell hinterm Busch, damit ja niemand sie entdeckt. Die anderen hingehen schmeißen mit den Eiern voller Freude um sich, sie dienen ihnen als Munition.

Gerhard Schröder hat am Montag abend in Hannover, wie er selbst zugab, über Eier geredet, die noch nicht gelegt sind. Man müsse darüber nachdenken, sagte der Kanzler auf der Kommandeurstagung der Bundeswehr ungewöhnlich offen, ob man die Konfliktparteien im Nahen Osten trennt, notfalls auch mit militärischen Mitteln. Die Rolle Deutschlands dabei nannte er ausdrücklich „offen“ und versah das ganze mit dem besagten Hinweis auf die spezielle Existenzform bestimmter Eier. Zwei Tage später fliegen Schröder eben diese Eier um die Ohren.

Alle Welt redet plötzlich nicht mehr über den Fischer-Plan für den Nahen Osten, sondern nur noch von der Bundeswehr in Israel. Die Täter im Land ihrer Opfer! Deutsche Soldaten, die den Kindern der Holocaust-Überlebenden Befehle geben! Das ist idealer Stoff für die deutscheste aller deutschen Debatten: Holocaust, Hitler, Israel, Bundeswehr – alles ist dabei. Eine „Entsorgung der deutschen Geschichte“ werfen die ersten Historiker dem Kanzler vor. Und wo Aufregung ist, sind bekanntlich die Parteien nicht weit. Die Opposition lässt sich diese Chance nicht entgehen. Schröders Angebot deutscher Soldaten nennt Edmund Stoiber „politische Schaumschlägerei“. Michael Glos wirft dem Kanzler „außenpolitische Wichtigtuerei“ vor. Und der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle spricht von einem „Ablenkungsmanöver“ Schröders, weil dieser sich nicht traue, die israelische Regierung zu kritisieren.

Ist damit der Versuch der Regierung, die Eier, die plötzlich in der Welt waren, gleich wieder verschwinden zu lassen, gescheitert? Einerseits ja. Es hat nichts genützt, dass es bei SPD und Grünen schon am Tag nach Schröders Vorstoß hieß, es gehe nicht um deutsche Truppen in Israel. Bei der Lösung des komplizierten Nahostkonflikts interessiere niemanden eine innerdeutsche Befindlichkeitsdiskussion.

Aber genau eine solche Debatte beginnt gerade, und sie trifft den Nahost-Friedensplan von Joschka Fischer ins Mark. Sie erklärt ihn zu einem eitlen Maßnahmepaket, mit dem Ziel, das letzte außenpolitische Tabu zu brechen. Fischers Plan jedoch ist alles andere als das. Da mag der Außenminister noch so sehr darauf beharren, dass er von Schröders öffentlichen Spekulationen nicht überrascht worden sei – seiner Friedensinitiative helfen sie eher nicht. Was Fischer allerdings nicht zugeben kann, traute sich immerhin die grüne Parteichefin zu sagen. Claudia Roth sprach gestern davon, dass die innenpolitische Fokussierung der ganzen Debatte „vom Bundeskanzler unglücklich verstärkt wurde“.

Andererseits kommt diese „innenpolitische Fokussierung“ dem Kanzler in bestimmter Hinsicht entgegen. Dabei ist es fast schon wieder nebensächlich, was genau der Grund für Schröders erstaunliche Äußerungen von Hannover waren: ein Versprecher, ein Schuss vor den Bug seines Außenministers oder in der Tat ein bewusster Tabubruch. So oder so – dass die vor kurzem undenkbare Frage, ob deutsche Soldaten Teil einer internationalen Friedensmission in Israel sein könnten, jetzt unbefangen diskutiert wird, ist in der Tat das letzte Kapitel in Schröders erklärter Absicht, das Militärische in Deutschland zu enttabuisieren.

Natürlich weiß Schröder, dass das nicht heute oder morgen auf der Tagesordnung steht. Aber die militärischen Optionen für den Nahen Osten, die der Kanzler selbst als theoretisch bezeichnet und die Fischer in seinem Friedensplan nur sehr vage als „wirksame Sicherheitskomponente“ umschreibt, werden bei der UNO und der EU längst durchgespielt. Schröder, Fischer und Scharping machen sich keine Illusionen. „Wenn es eine internationale Friedenstruppe gibt, werden wir mitmachen müssen“, heißt es übereinstimmend in ihren Reihen. Im Verteidigungsministerium gibt es für diesen Fall zwar noch keine operativen Planspiele, aber der scheidende Generalinspekteur der Bundeswehr hat, trotz der Klagen über die Überforderung seiner Truppen, schon zugegeben: „Wenn wir uns anstrengen – irgendwas geht immer.“ Rein theoretisch, versteht sich.

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