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Heimspiel für den Nahverkehr

Auf Hamburg käme mit den Olympischen Spielen 2012 eine gewaltige Aufgabe zu. Was die Stadt von Sydney lernen kann und wie die groben Pläne des Senats aussehen  ■ Von Gernot Knödler

Olympische Spiele in Hamburg könnten den Schwarz-Schill-Senat zu einer Änderung seiner Verkehrspolitik zwingen. Denn eines ist beim Olympia-Symposium am Freitag in der Handelskammer klar geworden: Die gewaltigen Menschenmengen, die bei der größten aller Großveranstaltungen bewegt werden müssen, können sich nicht in Autos durch die Stadt drängen. Darauf hat Sydney 2000 reagiert, indem es die Menschen massenhaft auf Busse und Bahnen umsteigen ließ, und darauf wird Athen 2004 in gleicher Weise reagieren. Die Kammer hatte Vertreter beider Städte eingeladen, um von ihren Konzepten nicht nur in Bezug auf den Verkehr lernen zu können.

Horst Meyer, Geschäftsführer der Olympia-Gesellschaft, stellte dar, was auf Hamburg 2012 zukäme: 202 Nationen würden in 35 Sportarten gegeneinander antreten. Die Stadt bräuchte 42.000 Hotelzimmer, 6000 Unterkünfte für Sponsoren, weitere 16.000 für die Athleten und deren Betreuer sowie 17.000 für Journalisten, die auf zwölf Kreuzfahrtschiffen einquartiert werden sollen. Pro Tag rechnet das Internationale Olympische Komitee (IOK) mit einer halben Million Besuchern. Das ergibt mindestens eine Million Wege, weil ja alle wieder nach Hause wollen, wie Professor Martin Stolz von der Gesamthochschule Wuppertal vorrechnete. Stolz hat für die Olympia-Gesellschaft ein Verkehrskonzept erarbeitet.

Entsprechend riesenhaft müssen die Sportstätten ausfallen: 80.000 Plätze fürs Olympia-Stadion, 20.000 für die Olympia-Halle, 25.000 für die Reitanlage in Klein Flottbek. Steve Brien, strategischer Medienberater für Sydneys Olympia-Gesellschaft, gab aufgrund dieser Dimensionen den Tipp, die Anlagen möglichst früh fertig zu stellen, um sie testen zu können. „Wir haben alle Klospülungen im Olympia-Stadion auf einmal betätigt“, erzählte Brien – nur um zu sehen, ob es funktioniert.

Weil kaum eine Stadt der Welt derart riesige Anlagen in gewöhnlichen Zeiten füllen kann, müssen sie nach den Spielen abgerissen oder verkleinert werden. Für die Hamburger Olympia-Halle hat sich ein Architekt eine auf der Elbe schwimmende Tribünenseite ausgedacht, die nach dem Sportfest einfach abgekoppelt werden könnte.

Sydney entschied sich dafür, die meisten neuen Sportstätten zu erhalten. Private Gesellschaften versuchen sie derzeit zu vermarkten. Während sich das Schwimmzentrum Brien zufolge zu einem beliebten Vergnügungsort gemausert hat, ist es schwierig, die Halle zu verwerten. 14 Millionen Euro im Jahr schießt die Stadt zu. In zehn Jahren sollen sich die Anlagen selbst tragen.

Für die Spiele selbst musste die Provinz Neusüdwales nach eigenen Berechungen 600 Millionen Euro zubuttern. Dafür verfüge Sydney jetzt über Veranstaltungsorte im Wert von 1,4 Milliarden Euro. In der Zeit vor den Spielen habe sich ein zusätzlicher wirtschaftlicher Effekt in gleicher Höhe eingestellt. Überdies seien in die Zukunft wirkende Investitionen im Wert von 280 Millionen Euro angestoßen worden, so Brien, der seine Präsentation mit einem Lob des ehemaligen IOC-Präsidenten Antonio Samaranch eingeleitet hatte: „The best olympic games ever.“

Die Bevölkerung muss für solchen Segen einen Preis bezahlen, auf den sie – ein weiterer Tipp Briens – gut vorbereitet werden will. Die Australier schufen vorübergehende Busdepots in Vorstädten, bauten auf einem der beliebtesten Strände ein Beachball-Stadion und machten einen Park zum Parkplatz. Die Inhaber mancher Geschäfte mussten auf Lieferungen, Taxifahrer auf Kunden verzichten. Gezielt erzeugte Olympia-Begeisterung nach dem Motto „Welcome the World!“ dämpfte den Unmut.

Die Hamburger, das wird wohl der Pferdefuß des Verkehrskonzepts sein, werden sich auf große Parkplätze auf dem Grasbrook, ausgebaute Autobahnen und die Hafenquerspange einstellen müssen. Das Stadtgebiet aber, so die Vision von Verkehrsplaner Stolz, wird im Wesentlichen Bahnen, Bussen und Fußgängern vorbehalten sein.

Durch die Konzentration des Olympischen Dorfes, des Medienzentrums und der wichtigsten Wettkampfstätten in der Hafencity und auf dem Kleinen Grasbrook werden die wichtigsten Ziele vom Hauptbahnhof aus zu Fuß in höchs-tens 30 Minuten zu erreichen sein – per Nahverkehr in zehn Minuten. Dabei müsste „praktisch gar nichts“ an U- und S-Bahnen dazu gebaut werden, so Stolz. Die Athleten könnten über die neu überbrückte Norderelbe vom Olympischen Dorf zum Stadion schlendern, Besucher per Schiff zwischen Arenen und Sehenswürdigkeiten hin und her pendeln. Und wenn es einen Alster-Triathlon geben sollte, wird Stolz vollends Recht bekommen mit seiner Behauptung: „Die City ist der Olympia-Park.

Für Olympia 2012 bräuchte Hamburg 42.000 Hotelzimmer, 6000 Unterkünfte für Sponsoren, weitere 16.000 für die Athleten und deren Betreuer sowie 17.000 für Journalisten.

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