: Jedes 7. Kind lebt in Armut
Der Senat legt einen Familienbericht mit traurigem Fazit vor: Wer Kinder hat, hat es meist schwer in der Hauptstadt. Der Senat will aber familienfreundlicher regieren und kündigt eine „Kita-Card“ an
von ADRIENNE WOLTERSDORF
Berlins Kinder sind arm dran. Genau 14,4 Prozent der hier lebenden Kinder „sind von Armut betroffen“. Das ist das Ergebnis eines 162 Seiten starken Familienberichts, den Familiensenator Klaus Böger (SPD) am Dienstag vorlegte. Demnach ist die Situation der Berliner Familien nicht gerade rosig. Besonders betroffen von Armut sind mit 27,7 Prozent ausländische Familien. Folglich wachsen, so der Bericht, rund 30.000 ausländische Kinder (rund 80 Prozent) unter „armen oder armutsähnlichen Bedingungen auf“. Andererseits sind 80 Prozent der Berliner Haushalte kinderlos. Offenbar ist Kinderkriegen in der Hauptstadt kein Vergnügen. Das zumindest legen die Ergebnisse der bereits unter der großen Koalition bestellten wissenschaftlichen Studie nahe.
Doch was tun mit so viel Papier? Ziel des Senates müsse nun sein, kündigte Böger hoffnungsvoll an, nach einer Aussprache zum Thema im Abgeordnetenhaus die Lage der Familien zu erleichtern. Zunächst gehe es darum, das Selbstbewusstsein von Familien mit Kindern zu stärken, aber auch darum, die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf zu beseitigen. Das gehe aber nur, so der Familiensenator, selbst Vater zweier Kinder, wenn sich „junge Väter bewusst einem anderen Leitbild anschließen“.
Diese Forderung allerdings hilft nicht gegen die Erkenntnis, dass Kindererziehung auch teuer ist. Berechnungen zeigen, dass das Großziehen eines Kindes bis zum Alter von 18 Jahren durchschnittlich rund 157.000 Euro oder 735 Euro pro Monat kostet. Davon würden 33 Prozent allerdings von der Öffentlichkeit in Form von Kindergeld und Steuererleichterungen getragen. Offenbar nicht genug, um den BerlinerInnen Lust aufs Kinderkriegen zu machen: Der Trend zur Kinderlosigkeit hält an. Unter den rund 3,4 Millionen Einwohnern leben nur 650.000 Kinder bis zu 20 Jahren. 80 Prozent der Haushalte sind damit kinderlos. In nur 7 Prozent der Haushalte gibt es überhaupt mehrere Kinder. Großer alter Knackpunkt: Das Betreuungsangebot. Hier liegt Berlin mit einer Bedarfsdeckung von rund 90 Prozent im Vergleich aller Bundesländer zwar immer noch mit an der Spitze, betonte Böger. Dennoch gebe es bei der Qualität der Betreuung noch Verbesserungsbedarf. Vorschlag: In absehbarer Zeit solle eine „Kita-Card“ eingeführt werden. Damit könnten Eltern sich eine Kita in ihrem Bezirk aussuchen.
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