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der duft der frauen von WIGLAF DROSTE

Leider sehr gut erinnere ich mich an den Geruch nach alter Tante. Crème Mouson hieß das Zeug, meine Brüder und ich schenkten es älteren weiblichen Verwandten, für die uns ein richtiges Geschenk einfach nicht einfallen wollte. Es war die Zeit, in der Blacky Fuchsberger Reklame für 4711 Kölnisch Wasser machte: X-mal strutzte er das Süßwasser aus einer riesigen Pulle in den Handteller, stellte die Flasche ab, zerrieb die verwesungsgeruchige Lache in beide Hände und hieb sie sich mit zehn Fingern über Gesicht und Haar. Der Mann muss gerochen haben wie eine Weihnachtsfeier pensionierter Bordsteinschwalben.

Seitdem haben die Deutschen, was ihren Duftauftrag angeht, schwer aufgerüstet, aber sie stinkmorcheln immer noch. Anders zwar, weniger naturbelassen achselhöhlig, mettwurstig oder smegmatisch, stattdessen hochaggressiv nach Hormonwasser. Viel hilft viel, heißt die Devise, nach der sich sich Herren einjauchen, dass einem die Augen tränen. Die Nasenlöcher wollen sich von innen verstöpseln vor Not und Qual, wenn so ein Kerl von Drogeriewelt sein Badezimmer verlässt, um bis weit über die Grenzen des Landes hin die olfaktorische Botschaft seiner Existenz zu verströmen: Hier komme ich, ich heiße Heinz und habe Parfüm, meine Nase ist taub, sonst röche ich anders und vor allem weniger.

Man kann nicht wegriechen. Man kann erfreulicherweise wegsehen, auch wenn einem turnusmäßig die Ohren voll geheult werden, dass man alles dürfe, nur nicht wegsehen. Aber das kann man überhören, obwohl das Weghören schon weit schwerer ist als das Wegkucken. Nur wegriechen kann man nicht. Der Geruchsinn lässt sich, außer durch Krankheit, nicht abstellen, und wer eine feine Nase hat, der hat an ihr viel Freude und mindestens ebenso viel Kummer.

Die Welt liegt unter dem Vollbeschuss der Friteuse, und wo die Friteuse nicht hinreicht, da schlägt das Parfüm zu. So arbeiten Frittenfettler und Dufthersteller Hand in Hand an der olfaktorischen Vergiftung der Weltbewohner. Nicht nur nasentote Herren sind es, die Toxisches ventilieren – auch Frauen fügen der Welt schwerste Geruchsverbrechen zu. Sie dünsten angebliche Sexuallockstoffe aus, die jeden riechkolbig noch nicht erledigten Mann die schnellen Schuhe schüren und rennen lassen – wenn das geht.

Im voll besetzten Zug ist schlecht fliehen. Als mich drei Grazien im Speisewagen an einem Vierertisch einkeilten, war es zu spät. Sie pesteten Moschus und Maiglöckchen aus; offenbar hatten sie darin gebadet. Mir wurde schlagartig schlecht, doch wollte ich mich nicht direkt auf den Tisch erbrechen, obwohl mein Körper mir das dringend empfahl. Im Geiste sah ich Rettung blinken: Verzweifelt orderte ich beim Kellner eine französische Käseplatte. Der kräftige Fromage, so glaubte ich, würde schon gegen den Geruchsterror des miefenden Kleeblatts anstinken. Doch weit gefehlt: Der Käse kam aus dem Kühlschrank und roch nach nichts. Schwerer Olfaktoralschaden war nicht mehr abzuwenden. Die drei Damen vom Geruchsgrill aber spürten nicht das Geringste.

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