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In der Umarmungsfalle

Die Grünen machen als kleinste Oppositionsfraktion solide Arbeit: Bei ihrer Kritik am rot-roten Senat stimmen sie auffällig oft mit den Christdemokraten überein. Es ist das alte Juniorpartner-Problem

von STEFAN ALBERTI

Der grünen Fraktionschefin Sibyll Klotz gingen die Worte ein bisschen sperrig über die Lippen. „Versprochen, nicht gehalten, versprochen, nicht gehalten“, deklinierte sie ihre negative 100-Tage-Bilanz des rot-roten Senats herunter. Einfacher wäre es, von „versprochen, gebrochen“ zu sprechen. Das reimt sich, das ist gängig – und leider schon besetzt. Von der CDU. Angela Merkel hat den Slogan ihren Berliner Parteifreunden bei einer Fraktionsklausur eingehämmert. Auf so etwas gibt es zwar keinen Patentschutz. Doch die Grünen sind in Abgrenzungszwang. Ihnen droht die Umarmung der Union, mit der sie in zentralen Fragen zusammen arbeiten. Dabei standen die Grünen nach der Senatsbildung vor einem anderen Problem: Wie Opposition machen gegen eine Koalition, deren Programm sie in den Ampelverhandlungen mit SPD und FDP zu 90 Prozent mitgeschrieben hatten? Die Frage trat zurück, weil Rot-Rot genug Anlass zur Kritik bot – für die Grünenfraktion „100 Tage Quälerei“, für CDU-Fraktionschef Frank Steffel „Pleiten, Pech und Pannen“.

Stattdessen tat sich ein ganz anderes Dilemma auf: Als die anfängliche ideologische Schlammschlacht vorüber war, stellten auch die größeren Oppositionsfraktionen von CDU und FDP oft die richtigen, die klugen Fragen. In fast allen zentralen Themen der vergangenen Monate kooperierten die Grünen zwangsläufig mit CDU und FDP oder vertraten zumindest ähnliche Positionen. Und vor allem wegen ihres gemeinsamen Vorgehens haben sie kleinere Erfolge erzielen können.

Bei der Risikoabschirmung für die Bankgesellschaft drängte Grünen-Finanzexperte Jochen Esser unisono mit CDU-Chefhaushälter Nicolas Zimmer und FDP-Fraktionschef Martin Linder auf Veränderungen, die Rot-Rot teilweise aufnahm. Beim umstrittenen Verkauf des Bikini-Hauses am Zoo verließen die drei Oppositionsfraktionen gemeinsam die Parlamentssitzung und verhinderten damit vorübergehend einen Beschluss. Gemeinsam gaben sie ein Gutachten zum Hauhaltsentwurf in Auftrag. Im Streit um die Louise-Schroeder-Medaille boykottierten die Grünen wie CDU und FDP die Ehrung für die Schriftstellerin Daniela Dahn. Die Begründungen waren zwar unterschiedlich, aber nach außen blieb der Eindruck: Die ziehen an einem Strang.

Bisheriger Höhepunkt der Zusammenarbeit war eine gemeinsame Presseerklärung zur Auswahl des neuen Polizeipräsidenten. Nebeneinander rollten die drei Fraktionslogos aus dem Faxgerät, wie ein papierenes Zeichen der neuen Zusammenarbeit. Kooperation mit der CDU beim Thema innere Sicherheit? Sie habe erst auch ein bisschen geschluckt, sagt Fraktionschefin Klotz und beeilt sich, die Sache als Einzelfall zu verkaufen – an vielen anderen Stellen gebe es diametrale Widersprüche. Keine andere Oppositionsfraktion habe sich etwa wie die Grünen jüngst für tschetschenische Flüchtlinge eingesetzt. Das ist zwar korrekt, aber anders als die Finanzpolitik derzeit kein Thema von größerer Außenwirkung.

Etwas hektisch wirkte die Reaktion des Grünen-Landesverbands, als CDU-Spitzenmann Günter Nooke Anfang April öffentlich über eine engere schwarz-grüne Zusammenarbeit räsonierte. Leichte Andeutungen hatte vorher schon Fraktionschef Frank Steffel gemacht. Für ausgeschlossen hielt Grünen-Parteichef Till Heyer-Stuffer ein solches Bündnis, von „niemals“ war die Rede. Fraktionschefin Klotz sieht das damals wie heute ein bisschen differenzierter. Für sie hängen solche Überlegungen von der künftigen Entwicklung der CDU ab, davon, ob sich liberalere Köpfe wie die Abgeordneten Monika Grütters und Exsenator Peter Kurth durchsetzen.

Angesichts der jüngsten gemeinsamen Faxe mit CDU und FDP spricht Heyer-Stuffers grüne Chefkollegin Regina Michalik jetzt von einer Zweckgemeinschaft. „Und wenn der Zweck ein guter ist, habe ich nichts dagegen.“ Dass der Union an einem solchen Bündnis liegt, ist für sie klar: „Es gibt doch für die nichts Besseres, als sich über uns als modern und progressiv darzustellen.“

Der Alt-Grüne und Ex-Europaabgeordnete Frieder-Otto Wolf gesteht der Fraktion zwar eine schwierige Startposition zu. Doch überhaupt mit der FDP über eine Ampel verhandelt zu haben, hat in seinen Augen die Grünen beschädigt. Ähnlich sieht er das gemeinsame Vorgehen der Opposition im Parlament. Die Grünen sollten sich deutlicher abgrenzen, linke Wege wie den einer kommunalen Einkommenssteuer gehen. „Das wäre etwas, womit man in Berlin in Finanzfragen punkten könnte“, sagt Wolf.

Bei der Union ist Schwarz-Grün inzwischen ein Modethema geworden. Da kann es auch passieren, dass ein Grünen-Promi bei der privaten Geburtstagsfeier eines CDU-Vorstandsmitglieds vorbeischaut. In Zehlendorf fragte ein Ortsverband mit einer ganzen Abendveranstaltung nach einer möglichen Koalition und lud sich dazu den grünen Fraktionschef Wieland ein. Den sehen manche in der Unionsfraktion als eine Art Hoffnungsträger für nähere Zusammenarbeit. Wieland wies zwar offiziell alle Avancen freundlich zurück. Ein CDU-Abgeordneter will jedoch positive Signale für weitere Gespräche bekommen haben – man müsse nur erst die Bundestagswahl abwarten.

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