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„Ich vermisse Kämpfer“

Interview NICK REIMER

taz: Sie diskutieren heute auf dem taz-Kongress mit Staatsminister Rolf Schwanitz über den Aufbau Ost. Wie schätzen Sie die Arbeit von Schröders Chefsachenverwalter ein?

Werner Kuhn: Rolf Schwanitz ist ein kompetenter Mann, der sich durch unglaublichen Fleiß auszeichnet. Allerdings hat er kaum Möglichkeiten, wirklich zu gestalten. Der Chefsachenverwalter ist weder am Kabinettstisch stimmberechtigt, noch hat er eine eigene Administration, geschweige denn einen Haushaltstitel.

Das war unter Kanzler Kohl natürlich viel besser geregelt.

Durchaus. Johannes Ludewig, Kohls Beauftragter für den Aufbau Ost, hatte wenigstens als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium einen Apparat, mit dem er agieren konnte.

Wenn Sie den Aufbau Ost bewerten sollten: Welche Note verdiente die Regierung Schröder im Fach Aufbau Ost?

Die Arbeitslosenquote Ost ist gestiegen, das Wirtschaftswachstum eingebrochen. Also: Vier minus.

Helmut Kohl ist Klassenprimus?

Nicht zwangsläufig. Die letzten vier Kohl-Jahre bekommen auch nur eine Drei minus. Wir haben einfach zu viele Fehler gemacht. Es fehlte etwa an notwendiger Sensibilität bei der Abwicklung von Industrieunternehmen durch die Treuhand. Zudem hätten wir spätestens 1996 erkennen müssen, dass im Baubereich strukturell etwas verändert werden muss. Die Auftragslage wurde damals schon spürbar dünner. Auch im Hochschulbereich haben wir zugelassen, dass zu viele Potenziale weggebrochen sind – alle Welt sucht heute Ingenieure.

Als im Januar der Bundestag über den Stand der deutschen Einheit debattierte, riefen Sie Schröder zu: „Sie gehören abgewählt!“ Warum sollte ausgerechnet Edmund Stoiber eine Alternative sein?

Ich habe Stoiber einige Ideen aufgeschrieben, die uns weiterbringen. Und die stehen jetzt im Wörlitzer Programm und werden exakt so in der nächsten Woche als Teil des CDU-Wahlprogramms veröffentlicht.

Schröder hat 1998 in sein Wahlprogramm auch reingeschrieben, was ihm Schwanitz zu Papier brachte.

Entscheidend für die Leute in Ostdeutschland ist doch: Sie brauchen einen Hoffnungsträger. Das war 1990 Helmut Kohl. Gegen alle äußeren und inneren Widerstände bekam er die Einheit Deutschlands hin. 1994 war man zwar unzufrieden, aber doch auf dem richtigen Weg. Kohl bekam seine zweite Chance. In die zweite Legislatur fielen aber die sozialen Einschnitte, etwa beim Kündigungsschutz oder im Gesundheitssystem. Und da hatten es die Ostdeutschen satt. Zumal mit Gerhard Schröder einer auftauchte, der sich zum Hoffnungsträger eignete. Nicht alles anders, aber vieles besser wollte er machen.

Die Ostdeutschen merken jetzt: Vieles ist einfach nur schlechter geworden. Unter Kohl gab es wenigstens noch Wachstumsraten in Ostdeutschland. Seit Schröder schrumpft hier die Wirtschaft aber nur. Ist doch klar, dass sich die Ostdeutschen jetzt einen neuen Hoffnungsträger suchen.

Und der heißt Edmund Stoiber? Dessen Ostkompetenz lag bislang doch darin, dass er gegen alles klagte, was den Osten besser stellte.

Stoiber hat gegen alles geklagt, was gegen bayrische Interessen verstieß. Das heißt: Stoiber war immer ein engagierter Kämpfer für sein Bundesland, einer, der Zähne zeigt. Solcherlei Kämpfertum vermisse ich in Ostdeutschland heute. Aber gerade danach sehnen sich die Ostdeutschen.

Hätte Rolf Schwanitz eher eine Rolle wie Regine Hildebrandt geben sollen?

Natürlich. Regine Hildebrandt hat es exzellent verstanden, das Sprachrohr der Emotionen der Ostdeutschen zu sein.

Der Weg von Hildebrandt zu Stoiber ist aber ziemlich weit.

Darum geht es nicht. So wie Stoiber für Bayern gekämpft hat, so wird er auch für Gesamtdeutschland kämpfen. Und er hat klar gesagt: Das ostdeutsche Problem ist ein gesamtdeutsches Problem. Deutschland werden wir nur voranbringen, wenn wir den Osten hinbekommen.

Wann wird sich Stoiber vor die westdeutsche Wählerschaft stellen und erklären: Jetzt müsst ihr noch mal kräftig zahlen?

Im Wörlitzer Papier steht, dass all das Geld, das der Bund aus Privatisierungserlösen einnimmt, in die Revitalisierung der ostdeutschen Wirtschaft gesteckt wird. Das wird in Westdeutschland akzeptiert: Dort ist begriffen worden, dass Ostdeutschland nicht einfach nur ein Beitrittsgebiet ist.

Der Staat verkauft einfach ein paar Telekom-Aktien, und schon wird alles gut im Osten?

Das reicht natürlich nicht. Stoiber hat deshalb vorgeschlagen, aus Ostdeutschland eine Sonderrechtszone zu machen. Verbandsklagerecht, Anhörungsverfahren, Bau- und Erschließungspläne, Abwägungsverfahren – es muss nicht zwingend zwei Jahre dauern, bis man einen Investitionsbescheid bekommt. Schnelle Entscheidungswege sind schließlich ein Standortvorteil.

Das heißt: Stoiber wird die Bürgerrechte beschneiden, für die die Ostdeutschen einst auf die Straße gingen?

Ich will Ihnen mal was sagen: Den Ostdeutschen ist nicht vermittelbar, dass es zwei Jahre für die Genehmigung einer Autobahnbrücke braucht. Wir wollen uns nicht über alles hinwegsetzen, wir wollen vereinfachen. Und zwar in ganz Deutschland. Ostdeutschland ist da nur ein Experimentierfeld.

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