: Kauft die Bank!
Rechtsprofessor empfiehlt den Kauf von Aktien der Bankgesellschaft, um bei der Versammlung der Aktionäre zu protestieren. Teilnehmer eines Attac-Podiums setzen auf öffentlichen Druck
von WALTRAUD SCHWAB
Proteste gegen die marode Bankgesellschaft müssen an den richtigen Ort, meint der Rechtsprofessor Hans-Peter Schwintowski, und hat Berliner daher aufgefordert, Aktien des Bankkonzerns zu kaufen. Denn schon der Besitz eines einzigen Wertpapiers reicht aus, um auf die kommende Aktionsärsversammlung Mitte Juli eingeladen zu werden – und um dort Unmut zu äußern. Wenn genug Leute mitmachen, können genug unangenehme Fragen gestellt und Forderungen aufgestellt werden, meinte Schwintowski am Mittwochabend bei einer Diskussionsveranstaltung der Globalisierungskritiker Attac. Schon mit gut zwei Euro sei man dabei, erklärte der unter anderem auf Bankrecht spezialisierte Juraprofessor der Humboldt-Universität.
Dass es einen Zusammenhang gibt zwischen 21 Milliarden Euro Steuergelder, die in den nächsten Jahren möglicherweise an private Anteilseigner von Fonds der Bankgesellschaft ausgezahlt werden und der Streichung von Mitteln bei Schulen, Kitas, Krankenhäusern, Schwimmbädern, Jugendprojekten scheint sich herumzusprechen. Was im Abgeordnetenhaus noch als „Risikoabschirmung“ abgesegnet wurde, kommt bei der Berliner Bevölkerung als „Blankoscheck“ an.
„Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren.“ Unter dieser Prämisse hat die Bankgesellschaft gewirtschaftet, seit sie die Landesbank Berlin mit ins Boot geholt hatte. Als Gesellschaft öffentlichen Rechts kann Letztere nicht pleite gehen. Der Steuerzahler haftet. Deshalb landeten dort nach und nach alle Risiken der Bankgesellschaft, erläuterte Schwintowski. Und der Risiken gab es viele. Die aufgelegten Immobilienfonds mit den garantierten Gewinnen, die bei ordentlicher Bewertung eher als Verlust bringend hätten gewertet werden müssen, sind dabei nur das deutlichste Beispiel.
Ob die Umschichtung des öffentlichen Vermögens auf die privaten Konten protest- und somit reibungslos vonstatten gehen wird, ist allerdings noch nicht klar. Das zeigt der große Zulauf, den die Attac-Veranstaltung hatte. Denn dass eine Pleite der Bankgesellschaft die wahren Machenschaften offengelegt hätte, während die Risikoabschirmung versucht, sie unter den Tisch zu kehren, galt bei den Podiumsteilnehmern, unter ihnen auch der SPD-Abgeordnete Hans Georg Lorenz, als ebenso unumstritten wie die Tatsache, dass die Zustimmung unter Bedingungen geschah, die einer Erpressung gleichkamen.
Was nun bleibt, und daraus machten die RednerInnen keinen Hehl, ist der öffentliche Druck. „Es hängt von Ihnen ab, ob wir eine Aufklärung kriegen oder nicht“, rief der Journalist und Filzspezialist Mathew D. Rose ins Publikum. Öffentlicher Druck sei ein „Global Player“, meinte eine Aktivistin des Attac-Frauennetzwerks.
Dass die Bankkrise etwas mit Globalisierung und die Globalisierung etwas mit der Zerstörung der Kommunen zu tun hat, betonte der eigentliche Star des Abends, die Kölner Soziologieprofessorin Maria Mies. Weil der Berliner Bevölkerung derzeit jedoch eher die Praxis als die Theorie unter den Nägeln brennt, interessierten die Tipps, wie nun Druck gemacht werden könne, mehr.
Ein Ansatzpunkt sind die Nutznießer des Bankenskandals. 70.000 Fondsanteilseigner gibt es, denen in den nächsten 25 Jahren die 21 Milliarden Euro aus Berlin zufließen sollen. Der Bund der Steuerzahler habe sich die Mühe gemacht, sie alle mit Adresse aus dem Handelsregister zu ziehen, sagte Mathew D. Rose. Die Liste lese sich wie ein Who’s who der neuen „Oligarchie“. Mehr als einmal fiel das Wort auf dem Podium. Die Profiteure müssen in naher Zukunft damit rechnen, dass ihr moralisches Gewissen öffentlich herausgefordert wird.
Andere Varianten, die Risikoabschirmung anzugehen, malte Schwintowski aus. So wäre es rechtlich durchaus möglich, die Zeit, in der die Gewinne garantiert werden, zu verkürzen, was Berlin enorme Summen ersparen könnte. Vergleichbare Fonds bürgen etwa fünf Jahre. Warum diese Frist bei der Bankgesellschaft verfünffacht wurde, bleibt Spekulation. Als Mehrheitsaktionär der Bankgesellschaft könne die Stadt, so Schwintowski, zudem anweisen, dass die Garantien aufzulösen seien. Vermutlich folgende Klagen müssten dann klären, ob sittenwidrige Bedingungen gelten und ob die Auflösung notwendig ist, um Schaden von der Kommune abzuwenden.
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