muttertag: Der Selbstbetrug der Männer
Morgen, am Muttertag, werden die Mütter wieder gefeiert. Die Politik wird betonen, wie wichtig es doch ist, den Frauen das Kinderkriegen zu erleichtern, ihnen zu ermöglichen, Beruf und Familie besser zu vereinbaren.
Kommentarvon BARBARA DRIBBUSCH
In diesen Reden wird ausgeblendet, dass die Kinderlosigkeit vieler Frauen oft Folge einer biografischen Entwicklung ist, an der auch Männer einen Anteil haben. Nicht wenige Frauen mit Kinderwunsch finden nämlich im entscheidenden Alter keinen Partner, der Vater werden möchte. Umfragen belegen dies. Die Verweigerung von Vaterschaft ist ein Problem, das erstaunlich wenig thematisiert wird.
Erst mal die Fakten: Heute schieben gerade gebildete Frauen das Kinderkriegen oft auf, bis der berufliche Einstieg geschafft ist. Im entscheidenden Alter zwischen 35 und 40 Jahren geraten sie dann unter Druck.
Die Demütigung älterer Frauen, die einen Partner suchen, ist jahrhundertealt. „Späte Mädchen“ hießen sie früher, heute sprechen Trendforscher von weiblichen „Panik-Singles“. Die Abwertung ist heute noch zu spüren, nach dem Motto: Ja, hättet ihr Frauen euch mal für einen Mann entschieden, als ihr noch jung und knackig wart! Die partnersuchende ältere Single-Frau wird diskriminiert, für Männer aber, die eine feste Bindung und die Vaterschaft lieber verweigern, gibt es kein Beleidigungsvokabular.
Die übliche Selbstberuhigung der Männer, dass sie ja noch im höheren Alter Kinder zeugen können, ist dabei oft ein Selbstbetrug: Es gibt mehr 40-jährige Männer als gleichaltrige Frauen ohne Nachwuchs, einfach deswegen, weil einige Männer mehrfach Ehen eingehen und ein großer Rest dann kinderlos übrig bleibt.
Das Problem ist also nur vordergründig die weibliche „biologische Uhr“ – entscheidend ist vielmehr ein gesellschaftliches Wertesystem, in dem derjenige viel gilt, der möglichst lange scheinbar viele Optionen hat. Der beruflich erfolgreiche Mann mit vermeintlich vielen Sexualpartnerinnen gilt als sexy. Weiter unten in der Werteskala rangiert der Vater, der sich viel um die Kinder kümmert, deswegen sogar beruflich zurücksteckt und einigermaßen treu ist. Und ganz unten steht der „Hausmann“.
Freiheitsversprechen sind vermarktbar, Bindungen hingegen weniger, denn sie haben viel mit Alltag, mit Routine zu tun. Solange aber zwischen Freiheit und Bindung keine bessere Balance gefunden wird, so lange wird es zu wenige Väter geben. Und zu wenige Kinder.
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