: Konsumenten und Industrie gehört
EU-Kommissare fordern Verzahnung von Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Umwidmung der Subventionen
BRÜSSEL taz ■ Bei Landwirten und Verbraucherschützern hat sich EU-Agrarkommissar Franz Fischler Argumentationshilfe für die von ihm geplante Halbzeitbilanz zur Agrarreform geholt. Ein Jahr lang diskutierten die Fachleute der Generaldirektionen Landwirtschaft und Verbraucherschutz an runden Tischen mit Lebensmittelproduzenten und Konsumenten, das Abschlussgespräch fand gestern in Brüssel statt.
In einer gemeinsamen Pressekonferenz machten Verbraucherkommissar David Byrne und Agrarkommissar Franz Fischler deutlich, was auf EU-Ebene noch keineswegs selbstverständlich ist: Lebensmittelsicherheit und Agrarpolitik müssen politisch verzahnt werden. „Wir müssen endlich aufhören, die Elemente der Ernährungskette politisch zu separieren“, sagte Fischler. Der alte Slogan „from farm to fork“ (vom Bauern auf den Teller) oder „from the stable to the table“ (vom Stall auf den Tisch) habe ausgedient. Genau umgekehrt, vom Endprodukt her müsse künftig Agrarpolitik betrachtet werden. Diese Erkenntnis, so sein Kabinettskollege Byrne, dringe erst allmählich in das Bewusstsein von Landwirten und Verbrauchern.
Beide Kommissare betonten, dass mehr Qualität nicht durch mehr EU-Subventionen erreicht werden solle, sondern ganz im Gegenteil durch mehr Konkurrenz. „Die Idee kann nicht sein, dass der Steuerzahler die Qualität bezahlt, weil alles für jeden gleich billig sein muss.“ Natürlich müssten innerhalb des gemeinsamen Marktes einheitliche Mindeststandards gelten, um die Verbraucher zu schützen und Marktverzerrungen zu vermeiden. Wer diese Mindeststandards nicht einhalte, dürfe nicht mehr in den Genuss von Agrarsubventionen kommen.
Auch sei denkbar, in ländlichen Entwicklungsprogrammen mehr Gewicht auf Qualitätsförderung zu legen und lokale oder regionale Vermarktung zu fördern. Das ist eine Forderung, die auch der grüne Agrarexperte im Europaparlament, Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, in die Halbzeitbilanz zur Agrarreform aufnehmen will. Einzelheiten zu der mit Spannung erwarteten Reform, so Franz Fischler gestern, werde die Kommission in fünf Wochen veröffentlichen.
Wer aber nicht nur sichere, sondern geschmacklich bessere Produkte wolle, müsse tiefer in die Tasche greifen. „Qualität hat ihren Preis. Alles andere ist Herumgerede“, sagte Fischler. David Byrne, der als Ire weiß, wovon er spricht, erinnerte an die sehr unterschiedlichen Esskulturen in der Union. Nicht in jedem Land und jeder Region seien die Verbraucher bereit, einen bedeutenden Teil ihres Budgets für Essen auszugeben. Damit jeder selbst entscheiden könne, liege der Schlüssel für eine neue Verbraucherpolitik in der Information: Je übersichtlicher, verständlicher und umfassender die Lebensmitteletiketten seien, desto besser könne jeder Käufer entscheiden. Die Herkunft des Produkts, verwendetes Tierfutter, mögliche Zusatzstoffe und gentechnische Veränderungen müssten noch deutlicher gekennzeichnet werden. DANIELA WEINGÄRTNER
EU-Kommission: http://europa.eu.int/comm/index_de.htm
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